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Das WahlkampftagebuchDie musterhafte Achse München–Magdeburg

Foto: dpa
Michael Bartsch

Die Analysen von taz-RedakteurInnen zu den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz erscheinen täglich bis zum Wahltag am 13. März.

Michael Bartsch ist Korrespondent für Sachsen-Anhalt.

Ein offensiver Wahlkampf sieht anders aus. Die CDU in Sachsen-Anhalt bleibt lieber unter sich. Nicht einmal der Wahlkampfabschluss mit Kanzlerin Angela am 11. März ist auf der Homepage des Landesverbandes zu entdecken. Und auch der findet wie alle Gastspiele der Großkopfeten gut abgeschottet im Halle’schen Steintor-Varieté statt.

Dort scheint man sicher vor Eierwürfen zu fürchten, wie sie Einheitskanzler Kohl 1991 hinnehmen musste. Wer weiß, ob sie 2016 von der AfD gekommen wären? Der Name der Leibhaftigen, des Gottseibeiuns darf in den Selbstermunterungsreden der Union nicht mal erwähnt werden. „Wir sind die Alternative“, ist schon das Äußerste, was Ministerpräsident Reiner Haseloff an kämpferischem Anspielungsreichtum erkennen lässt.

Die CDU als Alternative zu sich selbst. Oder meinte Haseloff am Mittwochnachmittag vielleicht die CSU als Alternative zur CDU? Horst der Große hatte sich angesagt in Halle, auf dem Rückweg von einer nicht weniger intimen Runde bei der Kanzlerin. „Ein sehr gutes, unfallfreies Gespräch über alle wichtigen Themen unserer Zeit“ habe in Berlin stattgefunden. „Wir arbeiten vernünftig zusammen!“ Und schöne Grüße von Angela an den Reiner sollte Horst Seehofer bestellen.

Harmonie allenthalben, obschon diese Mitgliederfragestunde in einem Halle’schen Tagungshotel auch als Beitritts­akklamation der sachsen-Anhaltischen CDU zur bayerischen Schwesterpartei interpretiert werden konnte. Eine Druckreaktion auf die Richtung 20 Prozent zusteuernden Umfragewerte der Deutschalternativen. Straßenkämpfer der Union bekommen auch den dahintersteckenden anschwellenden Bocksgesang im „Volk“ zu spüren. Einer von ihnen, ein Parteisoldat aus dem Plattenbau- und Problemviertel Halle-Neustadt, versah am Mittwoch getreu seinen Ordnerdienst im Saal. Welche Attacken er wegen der Merkel’schen Flüchtlingspolitik am Stand einzustecken hat, deutet er nur an. Aber da müsse doch der stramme Horst gerade Verstärkung bedeuten? „Ein Irrtum“, schüttelt der Unionsfreund den Kopf und will nach der Veranstaltung die Erklärung nachreichen.

Auf der Bühne wird derweil auf die süßlichste Weise die Achse Magdeburg–München beschworen. Es war Liebe auf den ersten Blick, seit der Reiner im Bundesrat auftauchte. Auch wenn das Erscheinungsbild der beiden Landesväter unterschiedlicher nicht sein könnte: Ein stets selbstsicher lächelnder Lebemann Seehofer, der ehrliche, fromme, aber immer aus der Defensive kommende Ossi Haseloff. Jetzt funkt’s erst recht, wo beide doch so realpolitisch auf eine Obergrenze für den Flüchtlingszustrom gedrängt und damit Blitzknaller auf das Kanzleramt gefeuert haben. Und wo beide „nationale Lösungen“ fordern, wenn der EU-Gipfel am 7. März keine Abschottung der europäischen Außengrenzen bringt. Ja ja, der Reiner, das sei ein Typ mit Profil, der sehr energisch werden könne, schmeichelt der Horst. Aber das hat doch bitte nichts mit Merkel zu tun! „Ich schätze die Kanzlerin!“, ruft der Bajuwarenfürst in den Saal und fordert ostentativ zum Beifall auf.

Und schöne Grüße von Angela an den Reiner sollte Horst Seehofer bestellen

Das Reizwort „Obergrenze“ fällt an diesem Nachmittag nicht. Aber von Begrenzung ist reichlich die Rede. Wie Migranten praktisch fernzuhalten wären, erfährt der nur zu drei Vierteln gefüllte Saal nicht. Dafür imaginiert der liebe Horst „Sachsen-Anhalt auf dem Weg zum Paradies“, und der Reiner bedankt sich mit der Ankündigung, im Länderfinanzausgleich bald zum Geberland zu werden. Von der Fleischerinnung gibt es schon mal eine Kiste Dampfwurst und den preußischen Dampfwurstorden für den weißwurstverwöhnten Horst. Pfeifen im Wald gegen das Muffensausen. Schon wird für den 13. März ein Ergebnis befürchtet, das nicht einmal für eine Neuauflage der bisherigen schwarz-roten Koalition reichen könnte.

Michael Bartsch

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