Das Sexleben der Beatles-Legende Lennon: Sätze wie Groschenhefttitel
John Lennons 30. Todestag begeht 3sat mit einem Themenabend (ab 20.45 Uhr) und zeigt ein reißerisches Doku-Windei über das ach so wilde Sexleben der Beatles.
Über die Beatles zu berichten wird jedes Jahr schwerer: John Lennons zeitlich überschaubarem Leben und seinem gewaltsamen Tod wurden bereits mehrere Filme gewidmet. Zum 30. Jahrestag des Attentats hat 3sat nun furchtlos und ehrgeizig probiert, trotzdem ein paar Neuigkeiten herauszuklamüsern.
Eine minutiöse Auflistung der Ereignisse des 8. Dezember 1980 versucht die Dokumentation "John Lennons Ermordung" (20.15 Uhr), die für die BBC-Serie "Great Crimes and Trials" bereits in den 90ern gemacht, aber in einer aktualisierten Fassung gezeigt wird: O-Töne vom letzten Interviewpartner (aber leider keine Original-Ausschnitte aus jenem Gespräch, das bei YouTube vollständig zu hören ist), dräuende Spannungsmusik zu Computerbildern der Limousine vor dem Dakota Building, ein paar Fakten über Attentäter Mark Chapman.
Dazu Chapmans Frau, die sich in einem kurzer O-Ton, man kann es über dem Off-Kommentar kaum hören, zu entschuldigen scheint - es wäre interessant gewesen, das genauer zu beleuchten, doch wurde darauf verzichtet. So bringt die flotte Doku nicht wirklich Neues, aber fasst relativ sachlich zusammen.
Ein kapitales Windei hat sich 3sat jedoch mit seiner zweiten Erstausstrahlung an diesem Abend, dem 2004 ebenfalls für die BBC produzierten Film "Die Beatles - wie sie wirklich waren" (20.45 Uhr), gelegt. Bestens geeignet für eine Lehrstunde in faktenfreiem Boulevardjournalismus, schäkert die Doku über die angeblichen Drogen- und Sexgewohnheiten der Band so dermaßen mit aus Prüderie geborener Sensationslust, dass man sich über die Chuzpe der Macher wundert. Von Anfang an kübeln Sätze wie Groschenhefttitel: "Hinter der glänzenden Fassade waren Sex, Untreue und Drogen der Motor für die Kreativität der Fab Four!" Dann, über die Zeit im puscheligen Rotlichtviertel St. Pauli: "Ein Leben am Limit. Viel Sex zu haben stand bei allen ganz oben an der Tagesordnung."
Am liebsten würde man das inflationär gebrauchte "Hallloooo??" in die verantwortliche Redaktion hineinrufen: Was sollte denn wohl sonst auf der Tagesordnung jedes 19-Jährigen stehen?! Lennon wurde tatsächlich, uiuiui, einmal in der Transvestitenbar gegenüber gesehen, plaudert der selbsternannte "Beatles-Wegbereiter" und Star-Club-Gründer Horst Fascher aus, und erzählt etwas später, dass die Beatles ihm steckten, sie hätten alle vier Sex mit dem gleichen Mädchen gehabt! Gleichzeitig. Ein anderer Weggefährte redet vom Tripper, erwähnt die Beatles aber mit keinem Wort: Der schlechte, offen tendenziöse Schnitt ist die größte Katastrophe des Films. Denn man merkt vielen der O-Ton-Geber, ob dem Presseagenten Tony Barrow, Paul McCartneys Stiefschwester oder Grafiker Klaus Voormann, an, dass sie nichts Schlechtes sagen wollten, allein: Ihre Zitate sind unverfroren neu verklebt worden.
Auch ästhetisch glänzt der Film durch Stillosigkeit, darf angeblich aus Rechtegründen keinen Beatlessong benutzen (ungewöhnlich für TV-Produktionen), und verwendet scheußliche Soundalikes. Dazu knirschen Übersetzungsfehler, hinkende Zaunpfahlwink-Symboliken wie der faulende Apfel zum Apple-Records-Untergang dienen zur Illustration, und dass die garantiert wahre Behauptung, die Band sei bei ihrem ersten Hamburg-Besuch musikalisch eher dürftig gewesen, mit einem Tondokument bewiesen werden soll, das aus drei Sekunden altersgemäß leiernder Bandaufnahme in einer Live-Situation besteht, passt zum hanebüchenen Standard.
Aber tant pis. Weil die Beatles eh schon in ihrer aktiven Zeit längst von "I want to hold your hand" zu "I am the walrus" gewechselt hatten, kann so eine Doku, selbst wenn alles wahr wäre, nicht mal in die Nähe der Scheibe kommen, um daran zu kratzen. Dass Jimi Hendrix Drogen nahm, ist schließlich heuer auch keine so umwerfende News mehr.
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