: Das Schicksal des Landes liegt in Frankreichs Händen
Die ehemalige Kolonialmacht hat seit Jahrzehnten Truppen in der Hauptstadt stationiert, französische Unternehmen kontrollieren faktisch die Wirtschaft der Elfenbeinküste
BERLIN taz ■ Die Haltung der ehemaligen Kolonialmacht ist der Schlüssel zur Lösung der Krise in der Elfenbeinküste. Die Elfenbeinküste ist das reichste Land im frankofonen Westafrika, und für die Ivoirer ist Frankreich noch immer der wichtigste Partner. Französisch ist Schulsprache, ein Großteil der Elite in der Handelsmetropole Abidjan lebt mit dem Kopf in Paris und hat zum Teil auch ihre Geld- und Sachwerte dort. 20.000 Franzosen leben in der Elfenbeinküste. Französische Firmen kontrollieren faktisch die Wirtschaft des Landes.
Als die französische Regierung am Dienstagabend als erste die Selbstausrufung des Generals Guei zum Präsidenten verurteilte, war bereits für viele Ivoirer klar, dass Gueis „zweiter Putsch“ nicht funktionieren konnte. „Wir erleben in Abidjan einen Putschversuch“, sagte Frankreichs Außenminister Hubert Védrine. „Frankreich wird ihn nicht akzeptieren, die EU auch nicht.“ Gestern legte die französische EU-Ratspräsidentschaft nach mit einer Erklärung, wonach die EU „sich vorbehält, im Rahmen ihrer Beziehungen zu der Elfenbeinküste die notwendig gewordenen Maßnahmen zu treffen“. Frankreichs regierende Sozialistische Partei hatte bereits am Montag den Sozialisten Laurent Gbagbo als Wahlsieger anerkannt.
Es wäre für Frankreich ein Leichtes, seinen politischen Willen in der Elfenbeinküste durchzusetzen. An die 600 kampffähige französische Soldaten sind ständig am Stadtrand von Abidjan stationiert. Dazu kommen 120 Marinesoldaten auf einem Kriegsschiff vor der Küste. Grundlage der Truppenstationierung ist ein Verteidigungsabkommen von 1963, das wie alle franko-afrikanische Abkommen ein Geheimprotokoll über die politischen Bedingungen einer Militärintervention enthält. Der Präzedenzfall für eine aktive französische Rolle beim Durchsetzen eines demokratischen Wahlergebnisses in Afrika findet sich in der Zentralafrikanischen Republik, deren heutiger Präsident Ange-Felix Patassé 1993 nach seinem Wahlsieg über den Amtsinhaber André Kolingba nur deshalb an die Macht gelassen wurde, weil Paris Kolingba drohte, ihn ansonsten selber abzusetzen.
Doch seit einigen Jahren revidiert Frankreich seine Afrikapolitik und schließt zumindest öffentlich aus, militärisch in Afrika einzugreifen. So blieben die französischen Soldaten in der Elfenbeinküste untätig, als zu Weihnachten 1999 der damalige Präsident Henri Konan Bédié vom Militär unter Robert Guei gestürzt wurde – entgegen dem Willen konservativer Pariser Politiker. Auch gestern schloss Frankreichs Entwicklungshilfeminister Charles Josselin eine Militärintervention aus: „Für den Augenblick sehen die Verteidigungsabkommen vor, dass wir der Elfenbeinküste im Falle einer äußeren Aggression helfen. Dies ist nicht der Fall“.
Hinter den Kulissen allerdings, das gilt in Abidjan als gesichert, gibt es widerstreitende Tendenzen unter den Franzosen der Elfenbeinküste. Eine Gruppe hoher pensionierter französischer Militärs hat Gueis Präsidialgarde restrukturiert, und einige französische Diplomaten schienen vor den Wahlen vom Sonntag einen Sieg des Juntachefs zu befürworten.
Schon im September setzte Paris allerdings seine Entwicklungszusammenarbeit mit der Elfenbeinküste aus. Seither arbeitete das offizielle Frankreich an der Demontage des Putschisten Guei, der gestern außer Landes floh.
Von afrikanischer Seite konnte General Guei ohnehin nicht auf Unterstützung hoffen. Als Putschist war er formell von den Gipfeltreffen der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) ausgeschlossen. Nigeria, die Regionalmacht Westafrikas, war ein entschiedener Gegner des Guei-Regimes. Zwei ivoirische Generäle, die vor Monaten nach Differenzen mit dem Juntachef entlassen und des Putschversuchs bezichtigt wurden, bekamen Asyl in der nigerianischen Botschaft in der Elfenbeinküste. Zur Feindschaft zwischen Nigeria und der Elfenbeinküste hat beigetragen, dass General Guei aus derselben Ethnie stammt wie der Präsident des Nachbarlandes Liberia, Charles Taylor. Und der gilt in den Augen Nigerias, Großbritanniens und der USA als Chefdestabilisierer Westafrikas. DOMINIC JOHNSON
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen