Das "Quakebook" als Japanhilfe: Erbebte Geschichte
Es gibt viele Bücher zur Selbsthilfe. Das "Quakebook" aber hilft den Menschen in Japan. Der Verkaufserlös des digital produzierten Buches geht an das Rote Kreuz in Japan.
Es war um 14.46 Uhr Ortszeit, als das Leben in Japan am 11. März 2011 jede Normalität verlor. Ein Beben der Stärke 9 auf der Richterskala, darauf ein verheerender Tsunami und schließlich das Atomkraftwerk in Fukushima, das außer Kontrolle geriet, trafen das Land in dichter Folge. Mehr als 27.000 Menschen starben oder werden noch vermisst, Hunderttausende verloren ihr Haus, ihre Heimat und ihre Jobs. Jeder, der an diesem Tag in Japan war, hat eine Geschichte zu erzählen.
Geschichten, die von Trauer, Angst und Schmerz erzählen. Und die dank der Initiative eines Engländers, der das Erdbeben mit seiner Familie in seinem japanischen Wohnort Akibo erlebte, nun Zehntausende Euro für Hilfsmaßnahmen einbringt. Unter dem Pseudonym "Our Man in Akibo" suchte ein früherer Journalist eine Woche nach dem Beben über Twitter nach Menschen, die über ihre Erlebnisse berichten wollten.
Beiträge aus aller Welt
Die Idee: Ein digital produziertes Buch, dessen Verkaufserlös komplett an das Rote Kreuz Japan geht. Binnen kurzer Zeit erhielt der Brite Beiträge von Menschen aus aller Welt, meist von Betroffenen, aber auch von Promis wie Yoko Ono oder Jake Adelstein. Er nannte die Sammlung "2.46: Aftershocks. Stories from the Japan Earthquake" (www.quakebook.org).
In ihrer Intensität sind die Geschichten für Leser wahre Nachbeben. Die sehr persönlichen Berichte handeln von Familien, die voller Verzweiflung ihr bisheriges Leben hinter sich lassen mussten aus Angst vor dem strahlenden AKW. Von Menschen, die ihr Leben gerettet, aber ihre Existenz verloren haben. Von Japanern, die im Ausland wohnen und tagelang hilflos auf ein Lebenszeichen ihrer Angehörigen warteten.
Anfang April, nur drei Wochen nach dem Beben, war die Sammlung bei Amazon für 9,99 US-Dollar als englisches und japanisches E-Book zu haben, inzwischen hat Amazon angekündigt, es auch als Buch drucken zu lassen. "Keiner verdient daran auch nur einen Penny", garantiert der Initiator des Erdbebenbuchs, "Amazon hat auf alle Einnahmen verzichtet."
Spenden für das Rote Kreuz Japan
Auch im Sony Reader Shop ist das digitale Buch zu haben, dort für eine Spende, die ebenfalls ans Rote Kreuz Japan geht. Der "Mann aus Akibo", der seine Identität nicht preisgeben will - "weil es nicht um meine Person, sondern um das Projekt geht" -, hat inzwischen zahlreiche Redakteure, Designer, Fotografen und Übersetzer an seiner Seite.
Einer, der sich täglich einsetzt, ist der Deutsche Philipp Tautz. Der in Yokohama lebende Sprachlehrer arbeitet seit dem 26. März mit vier Mitstreitern an einer deutschen Übersetzung der japanischen und englischen Texte. "Wir sind zu 90 Prozent fertig", freut sich Tautz. Er sagt: "Vermutlich wird die deutsche Ausgabe im Juni digital erhältlich sein."
Es ist eine Erfolgsgeschichte, die in dieser Form nur im Internetzeitalter mit der schnellen Vernetzung aller Akteure möglich ist. "Wir kennen uns meist nur über Twitter oder E-mail", sagt Tautz, "aber wir haben alle dasselbe Ziel: Mit dem Buch den Opfern des 11. März zu helfen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!