piwik no script img

Das Projekt linke ThinktanksAus dem kratergroßen Sinnloch

Die SPD will einen neuen rot-grünen Thinktank gründen. Wozu noch einen? Außerdem hat die SPD-Spitze das Projekt so tolpatschig inszeniert, dass auch die Grünen befremdet sind.

Andrea Nahles braucht einen neuen Thinktank. Die deutsche Linke hingegen nicht. Bild: dpa

Derzeit bahnt sich anscheinend ein rot-grünes Revival an. In NRW regieren SPD und Grüne recht harmonisch miteinander, auch in Hamburg und Rheinland-Pfalz liegen Sozialdemokraten und Grüne in Umfragen weit vorne. Sogar in Baden-Württemberg kann es im März mit einem Regierungswechsel klappen.

Was liegt da näher, als einen rot-grünen Thinktank zu gründen? Das klingt ja erst mal ziemlich wichtig. Außerdem zeigt dieser Plan, dass man in der SPD-Parteizentrale verstanden hat, was bei dem frohen rot-grünen Revival noch fehlt: nämlich eine zarte Andeutung, für welche Idee - früher hätte man gesagt: für welches Projekt - die rot-grünen Regierungen denn stehen.

Zur Erinnerung: Die Schröder-Fischer-Regierung ist 2005 nicht von übermächtigen Gegnern niedergerungen worden, sondern an einem Ermüdungsbruch zugrunde gegangen. Rot-Grün (vor allem die ausgelaugte SPD) hatte 2005 schlicht kein Ziel mehr, keinen Mut und keine Idee. Auch bei wohlwollender Betrachtung ist nicht zu vermuten, dass Olaf Scholz, Kurt Beck oder Hannelore Kraft dieses kratergroße Sinnloch nun durch kreatives Regieren füllen werden.

So reifte bei SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles der Plan, einen rot-grünen Thinktank zu gründen. Federführung soll der SPD-Linke Benjamin Mikfeld haben, der bis vor Kurzem in der Grundsatzabteilung des Willy-Brandt-Hauses beschäftigt war. Es gibt zwar schon die Heinrich-Böll- und die Friedrich-Ebert- Stiftung, die sich ähnliche Gedanken machen. Es gibt auch das Progressive Zentrum, das den SPD-Netzwerkern nahe steht und versucht, das stumpf gewordene rot-grüne Image intellektuell aufzupolieren. Außerdem betreiben Andrea Ypsilanti und andere seit gut einem Jahr das Institut Solidarische Moderne. Und schließlich gibt es die "Oslo-Gruppe", in der sich junge Parlamentarier aus Grünen, SPD und Linkspartei den Kopf zerbrechen, wie man eines fernen Tages mal eine Mitte-links-Regierung auf die Beine stellt.

Mikfelds Thinktank soll aber mit der Linkspartei gerade nichts zu schaffen haben. Er ist somit ein Symbol, das zeigt, dass das kleine rot-grüne Zwischenhoch in der SPD-Parteizentrale schon wieder die dümmsten Illusionen hervorgerufen hat. Man hofft, gegen jede Wahrscheinlichkeit, auf eine rot-grüne Mehrheit 2013 und glaubt, Machtstrategien ohne die lästige Linkspartei schmieden zu können.

Außerdem hat die SPD-Spitze das Projekt so tolpatschig inszeniert, dass auch die Grünen befremdet sind. Die haben wenig Lust, bei einem SPD-gesteuerten Gefährt das Stützrad zu sein.

Was bei der Operation Thinktank zum Vorschein kommt, ist das altsozialdemokratische Weltbild, in dem die Volkspartei SPD der Fixstern ist, der von wechselnden Kleinparteien wie Grünen, FDP oder Linkspartei umkreist wird. Diese Zeiten aber sind - siehe Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt - vorbei, die Volksparteien in der Dauerkrise. Die SPD ist, hieß es vor 30 Jahren, ein Tanker. Also wichtig und groß, aber leider unbeweglich. Heute ist die SPD nicht mehr so wichtig, nicht mehr so groß, aber noch genauso unbeweglich.

Die deutsche Linke insgesamt braucht keinen neuen Thinktank, und auf keinen Fall einen, der für SPD-Hybris steht. Sie braucht vor allem eine Entspannung des hoch verkrampften Verhältnisses von SPD und Linkspartei, die sich mit an Verachtung grenzendem Misstrauen betrachten. Dabei nutzen Strategiepapiere nur begrenzt. Manchmal hat man den Eindruck, dass nur noch Gesprächstherapie helfen kann.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • K
    Kommentator

    *hust"

     

    Es soll ja auch eine "Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokraten in der SPD" geben.

     

    Hier:

    http://www.ag-sozialdemokraten.de/petition/signatures

     

    Viele Mitglieder hat die ja nicht.

    Der Rest ist ja seit Jahren nicht mehr sozialdemokratisch.

     

    Stimmt es, dass die AG nun auch parteiintern verboten wurde?

    Wundern würde es mich nicht bei der Truppe von Seeheimer hörigen Kaspern.

  • F
    FAXENDICKE

    Der SPD Mann Sarazzin hätte mal lieber ein Buch geschrieben mit dem Titel "Die SPD schafft sich ab"! Schröders AGENDA 2010 läßt Grüßen.

    Das Hauptproblem bei diesen Parteibuchkarrieristen ist ja im Grunde bloß ihre eigene Feigheit. Es braucht nämlich schon eine Portion Mut, in aller Öffentlichkeit zuzugeben, liebe Wähler mit Schröder und seiner neoliberalen Arbeitgeberpolitik haben wir uns zu weit von unseren ehemaligen Idealen entfernt, wir wollen uns aufrichtig bemühen unsere Fehler wieder gut zu machen. Statt dessen geben sie nur scheibchenweise zu das der Aufstieg Schröders, den Aufstieg der LINKEN und den Untergang der SPD eingeleitet hat. Anstatt sich nunmehr mit den LINKEN zu solidarisieren um gemeinsam gegen die kapitalistischen Auswüchse zu streiten, streiten sie sich untereinander kaputt. FDP, CDU/CSU dankens ihnen nach jeder Wahl und treiben ihr niederträchtiges Spiel gegen die immer ärmer werdenden Massen schamlos weiter.

  • V
    vic

    Sehr richtig, kann ich dazu nur sagen.

  • AW
    Alibaba Wunderbar

    Das Problem der "S"PD ist, dass es keine Partei des kleinen Mannes, egal ob Arbeitnehmer, Freiberufler, Gewerbetreibender, Schüler, Student, Arbeitsloser oder Rentner mehr ist, sondern eine neoliberale Wirtschaftspartei mit sozialen Anhängseln.

     

    Eine Partei, die die Interessen des großen Geldes, der Superreichen und der Spekulanten vertritt und den Leuten dabei vorgauckelt, sie würde den Interessen der Allgemeinheit dienen, ist nämlich keine sozialdemokratische Partei mehr.

     

    Das ist das eigentliche Problem der SPD. Solange die SPD und ihr Führungspersonal dies nicht begreifen können oder nicht begreifen wollen, ist ein rotgrüner Thinktank für die Katz wie der Aufsichtrat bei einer Aktiengesellschaft.

  • A
    Alex

    Lieber Stefan Reinecke,

     

    "Außerdem hat die SPD-Spitze das Projekt so tolpatschig inszeniert, dass auch die Grünen befremdet sind."

     

    - diesen in der Zusammenfassung und im Text vorkommenden Kommentar hätte ich doch gerne erklärt bekommen.

     

    Worin bestand denn genau die "Tolpatschigkeit" der SPD-Spitze? Entweder muss das erklärt werden - oder raus mit diesem unbegründeten Kommentar aus dem Artikel.

     

    Gruß Alex

  • D
    dop

    ach was, in der spd gibt es noch linke?

  • DN
    Dr. No

    Was für ein toller Artikel!

    Hurra, die taz, sie lebt!

     

    das Manöver ist so durchsichtig, dass es wirklich jeder merkt. Olaf Scholz hat eine gute Sache bei Schwarz/Rot gemacht, nämlich das Kurzarbeitergeld verlängert. Dafür wird er nun in Hamburg Bürgermeister. Das sei ihm gegönnt. Aber ansonsten ist bei der SPD nur tote Hose. Nein, Andrea Nahles bekommt ein Kind. Auch das ist schön. Nur mit der Politik, da klappt es nicht so.

  • B
    broxx

    Super Idee. Luftnummern beim Denken...haha

  • MN
    mein Name

    Weder die kriegsgrüne Yuppie-Partei noch die Faschosozen sind links. Was soll also das Gelaber von "linken" thinktanks? Naja der Titel Denkpanzer passt vielleicht, nur müsste man ihn reaktionär und neoliberal nennen.

  • G
    Gerri

    Wähler, die der Meinung sind, die anderen Parteien müssten ihr Verhältnis zur Linkspartei entkrampfen, haben halt vorerst keine andere Option als die Linke zu wählen.

    Denn nur dann, wenn die Linke stimmenmäßig so mächtig ist, dass die SPD ganz einfach gezwungen ist, das anzuerkennen, wird sie das auch tun.

     

    Das wurde neulich in einem Artikel über die katholische Kirche sehr schön formuliert:

    Was als totale Lernunfähigkeit daherkommt, ist ein Wirklichkeit die Arroganz der (tatsächlichen oder vermeintlichen) Macht.

    Sobald aber der Arsch der eigenen mächtigen Männer gefährdet ist, geht das mit dem Lernen plötzlich von jetzt auf vorgestern.