Das Portrait: Gründermutter des Rhythm'n'Blues
■ LaVern Baker
„Schwarze sind Innovatoren, Weiße recyceln nur“, schrieb Nelson George in seinem Buch „Der Tod des Rhythm & Blues“. An diese für schwarze Künstler bittere Erfahrung muß wieder einmal erinnert werden, jetzt, wo der Rhythm & Blues mit dem Tod von LaVern Baker tatsächlich wieder ein wenig mehr gestorben ist.
Als LaVern Baker Anfang 1955 mit „Tweedlee Dee“ erstmals in den Hitparaden auftauchte – Platz 4 in den schwarzen Rhythm-&-Blues- Charts, Nummer 14 in den weißen Pop-Charts – war sie natürlich überglücklich. Innerhalb weniger Wochen nahmen mindestens acht Weiße den Song auf, Georgia Gibbs' notengleiche Klon- Version erreichte Platz 2 der Pop-Charts. Wütend schrieb die Baker an ihren Kongreßabgeordneten Charles Diggs und forderte eine Änderung des Urhebergesetzes zum Schutz vor Piraterie – natürlich erfolglos.
In Teenagerjahren wurde LaVern Baker als „Little Miss Sharecropper“ (kleines Fräulein Pachtbäuerin) angekündigt, obwohl sie in Chicago geboren wurde, in Detroit aufwuchs und nie ein Baumwollfeld sah. Platten als Bea Baker blieben erfolglos. Erst ab 1953, als sie für Atlantic in den folgenden zwölf Jahren 20 Hits ablieferte, kam ihre klare Stimme voll zur Geltung, die sie von den Konkurrentinnen wie Dinah Washington und Ruth Brown abhob. „Bop-Ting- A-Ling“, „Play It Fair“, „Still“, „Jim Dandy“ und „I Cried A Tear“ waren ihre größten Erfolge, zwischendurch nahm sie ein Gospel- Album und eine LP mit Blues von Bessie Smith auf. Schon 1954 buchte Alan Freed, ein enorm populärer Discjockey, sie auf Tourneen und brachte sie in zwei Filme. Bis Ende der 50er Jahre war sie mit B.B. King, Sam Cooke, Count Basie, Chuck Berry, Bill Haley auf Tournee. 1966 war sie im Duett mit Jackie Wilson letztmals in den Charts, trat dann in Japan auf, erkrankte dort, erholte sich auf ärztliches Anraten in den Philippinen.
Erst 20 Jahre später, zur 40-Jahresfeier von Atlantic, stand sie wieder im Rampenlicht. Sie sang im Musical „Black And Blue“, wurde in die Rock'n'Roll Hall Of Fame aufgenommen, sang für Madonnas Soundtrack „Dick Tracy“ und hatte endlich ihr zweites Karrierehoch, als ihr wegen Diabetes vor zwei Jahren beide Beine amputiert werden mußten. An Weihnachten trat sie in New York noch auf, wo sie am Montag mit 68 an Herzversagen verstarb. Norbert Hess
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