Das Portrait: Exil für das radikal Böse?
■ Pol Pot
Gestern war aus der Umgebung des stellvertretenden kambodschanischen Ministerpräsidenten Norodom Ranariddh zu hören, daß Pol- Pot, nach wie vor die führende Figur im Guerilla- Krieg der Roten Khmer, das Land verlassen hätte. Oder in den nächsten Tagen verlassen werde. Oder demnächst verlassen wolle. Zweimal ist der „Bruder Nr. 1“ im vergangenen Jahr bereits totgesagt worden. Totgesagte leben länger. Auch bei dem jetzigen Exil-Gerücht ist deshalb Vorsicht geboten.
Pol Pots Figur ist längst in den Mythos entrückt. Er verkörpert das radikal Böse. 1928 wurde er unter dem Namen Saleth San geboren, besuchte die französische Schule in Pnohm Penh und studierte von 1949 bis 1952 an der Pariser Sorbonne. In dieser Zeit wandte er sich dem Kommunismus zu, und zwar in seiner radikal-utopistischen Ausprägung: rasche Einebnung der Unterschiede zwischen Stadt und Land, Abschaffung der Geldwirtschaft, entschlossene, wenn nötig physische, Liquidierung der alten Ausbeuterklassen und Schichten, wozu auch die städtische Intelligenz zählte.
Die „killing fields“, die entsetzlichen Resultate der Herrschaft Pol Pots und seiner Getreuen in den Jahren 1975-78, sind bekannt, wobei nicht in Vergessenheit geraten sollte, daß erst die amerikanische Intervention in Kambodscha der Machtergreifung der Roten Khmer den Weg bereitete. Unsinnigerweise wurden die Verbrechen des Regimes fast ausschließlich Pol Pots Person zugeschrieben, was taktische Überlegungen zur Einbeziehung der Roten Khmer in eine Regierungskoalition zur Ursache hatte, aber auch die Dämonisierungswut westlicher Medien. Er selbst hat die Greuel der spontanen Volkswut zugeschrieben, über die er leider die Kontrolle verloren habe. Sieht man von dieser Pseudo-Selbstkritik ab, so sind die Konstanten im Denken dieses Mannes gleichgeblieben, vor allem sein Haß auf die Vietnamesen, unter deren Kontrolle sich die kambodschanischen Kommunisten jahrzehntelang duckten, und deren Invasion zu Ende 1978 ihr Regime schließlich zum Opfer fiel.
Sollte sich das Gerücht über Pol Pots Ausreise als wahr erweisen, so scheint der Auflösungsprozeß der Roten Khmer, von der im vorigen Jahr ein paar tausend Kämpfer und ein führender Politiker, Jeng Sary, desertierten, unaufhaltsam. Christian Semler
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