■ Das Portrait: Helmuth Prieß
Die Führungsoffiziere der Hardthöhe waren genervt. Da kritisierten nicht Friedensdemonstranten, sondern Offiziere der Bundeswehr die atomare Aufrüstung der Nato. Eine Gruppe Soldaten hatte das „Darmstädter Signal“ gegründet, es war Sommer 1983. Ihr Sprecher war Major Helmuth Prieß. Der 54jährige ist Berufssoldat, der die ursprünglich defensive Bestimmung der Bundeswehr stark verinnerlicht hat. Seit den siebziger Jahren hatte Prieß auf die schleichende „Verschiebung des Wehrauftrags“ aufmerksam gemacht, er kritisierte den strategisch möglichen Ersteinsatz von Atomwaffen. Dem Komitee des Gustav- Heinemann-Bürgerpreises war das im Jahr 1984 eine Auszeichnung wert.
Doch in der Bundeswehr fand man nicht viel Gefallen an dem Heinemann-Preisträger: Prieß blieb in der Laufbahn hängen und wurde auf einen „unschädlichen“ Posten beim Heeresamt Köln strafversetzt.
Der Bundeswehrrebell Foto: Frank Darchinger
1989 witterte Verteidigungsminister Stoltenberg seine Chance, den kritischen Offizier loszuwerden. Prieß hatte zusammen mit zwanzig anderen Soldaten in einer Resolution ein Urteil des Landgerichts Frankfurt gutgeheißen. Danach durfte der Arzt Peter Augst ungestraft behaupten: „Alle Soldaten sind potentielle Mörder.“ An Prieß sollte ein Exempel statuiert werden. Stoltenberg verfügte gegen Prieß ein disziplinarrechtliches Verfahren. Das Truppendienstgericht in Koblenz befand ihn schuldig, gegen seine Kameradschaftspflichten verstoßen zu haben. Der Major wurde zum Oberleutnant degradiert. Prieß klagte gegen das Urteil beim Bundesverfassungsgericht. Dort erinnerte man sich an einen ähnlichen Fall: 1931 sprach das Reichsgericht den Chefredakteur der Weltbühne, Carl von Ossietzky, frei, der einen provokanten Satz Tucholskys zu verantworten hatte: „Soldaten sind Mörder.“ Das Verfassungsgericht folgte dem Reichsgericht und hob die Degradierung auf. Nachdem Prieß auch vom Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts „rehabilitiert“ wurde und die Richter ihm ein „ausgeprägtes demokratisches Grundverständnis“ attestierten, reichten dem 54jährigen die Lobeshymnen. Als Oberstleutnant – nicht, gemäß Ministerwunsch, als Oberleutnant – verläßt Helmuth Prieß nun auf eigenen Wunsch die Bundeswehr. Nils Klawitter
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