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Das PortraitAtemlehre

■ betr.: Ilse Middendorf

Atmen, atmen, atmen... Eine kleine weißhaarige Dame erklimmt die Stufen zum Podium. Es ist kein gewöhnlicher Vortrag, den die Atemtherapeutin Ilse Middendorf über den „Erfahrbaren Atem“ hält. Damit die ZuhörerInnen auch erfahren, wovon sie spricht, läßt sie diese eine Vielzahl einfacher, aber effektvoller Übungen machen: „Dehnen Sie sich!“ fordert sie, und der ganze Saal wirft die Arme nach oben und reckt und streckt sich.

Atemtherapie nach Middendorf ist eine ganzheitliche Heilmethode für Körper, Seele und Geist. Sie wird vor allem bei psychosomatischen Beschwerden angewandt, wirkt aber auch vorbeugend. Freies Atmen läßt Leib, Seele und Geist durchlässig werden, so daß innere Prozesse fließen können.

Mit achtzehn ließ sich Ilse Middendorf zunächst zur Gymnastiklehrerin ausbilden. Es folgte eine Weiterbildung am Institut für Atem- und Nervenpflege in Baden- Baden. Den entscheidenden Impuls findet sie 1939 bei Cornelis Veening, einem Holländer, der in Berlin Atemlehre unterrichtet. Der Einzelunterricht wird für Middendorf zur Sternstunde. Dreißig Jahre lang arbeitet sie mit Veening und entwickelt ihre Lehre des Erfahrbaren Atems.

Geboren wurde Middendorf in der sächsischen Kleinstadt Frankenberg. Ihr Entschluß, 1934 in Berlin eine Praxis zu eröffnen, stößt bei Ilse Middendorf, Therapeutin, lehrt mit 85 Jahren an ihrem Institut für Erfahrbaren AtemFoto: Nelly Rau-Häring

ihren Eltern zunächst auf wenig Gegenliebe. Doch dann bewundern sie den Erfolg ihrer Tochter. Nach dem Krieg gibt sie Atem- und Bewegungsstunden in Kindergärten, in den fünfziger Jahren unterrichtet sie an verschiedenen Berliner Volkshochschulen. Mit 61 Jahren wird sie zur Professorin an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst berufen, der heutigen Hochschule der Künste, an der sie zehn Jahre lehrt. 1964 stößt sie auf ideale Räumlichkeiten am Berliner Viktoria-Luise-Platz. In der ehemaligen Wohnung der Prinzessin Viktoria Luise befindet sich bis heute das „Ilse Middendorf Institut für Erfahrbaren Atem“. Die 85jährige, die eine ungeheure Gelassenheit ausstrahlt, arbeitet immer noch ganztags. Sie entwickelt ihre Lehre immer noch weiter. Nach wie vor reist sie viel. Gerade hat sie mehrere Wochen an der Dependance des Instituts in Niendorf unterrichtet, im Juli gab sie Kurse am „Ilse Middendorf Breath Institute“ in San Francisco, das ein früherer Schüler vor drei Jahren dort eröffnet hat. win

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