Das Portrait: Der Absteiger
■ Carlo de Benedetti
Das Hochglanzmagazin CLASS, spezialisiert auf die Potentaten dieser Erde, hat ihn noch vor zwei Jahren auf die Hitliste der einflußreichsten Menschen Italiens gesetzt: Carlo De Benedetti, 62, seit 1978 bis vorgestern Generalmanager und Hauptaktionär des Olivetti-Konzerns, gehört zu jenen Industriellen, die seit den siebziger Jahren Italiens Familienkapitalismus aggressiv zu „modernisieren“ suchten.
Vorbei. In einer der turbulentesten Sitzungen der italienischen Konzerngeschichte wurde De Benedetti, genannt „der Ingenieur“, vor allem von seinen ausländischen Aktionären so hart angegangen, daß ihm nur noch der Rücktritt blieb. An seiner Stelle führt nun ein Managerkollektiv den Olivetti-Konzern.
Mit De Benedettis Abgang verliert Italiens Industrie einen jener Manager, die als eine Art Hans Dampf in allen Gassen auf so ziemlich allen Feldern des Kapitalismus zu Hause waren, von der Industrie (Olivetti) über das Medienwesen (Hauptaktionär bei L'Espresso und la Repubblica) und den Nahrungsmittelsektor (Nudel- und Gebäckherstellung) bis in den Finanzsektor hinein (die Zentralholding De Benedettis, die CIR, kontrolliert über ein Dutzend Kreditinstitute). Unter den Großunternehmen stach De Benedetti stets durch seinen Hang zur Linken hervor, was ihm sowohl bei der angestammten Bourgeoisie (etwa FIAT-Agnelli und Reifen-Pirelli) wie bei den neureichen Aufsteigern (Berlusconi) allerlei Gemuffel einbrachte.
De Benedetti zeigte freilich auch all jene Defekte, die vor allem gerade frisch nach oben gekommenen Manager vorweisen – arge Ungeduld beim Erreichen von Zielen, Skrupellosigkeit beim Verfolgen ihrer Absichten – und nicht selten auch unerwartete Wissenslücken, wo es ums Ganze ging. Als er den Mondadori-Verlag erwarb, Italiens größte Printmediengruppe, machte er einen so windigen Vertrag, daß ihm die anderen Anteilseigner gemeinsam mit Berlusconi die Mehrheit wieder entwinden konnten.
Grund zu Schadenfreude über den Absturz des „Linken“ De Benedetti sehen seine konservativen Kollegen dennoch nicht. Denn angesichts der immer schärferen Wirtschaftskrise könnte De Benedettis Abgang nur der Anfang vom Ende der aufgestiegenen Wirtschaftsführer sein. Werner Raith
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen