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Das PortraitDeutschlands erster Rock'n'Roll-Schnösel

■ Peter Kraus

Im München der Nachkriegszeit gehörte er zur Jeunesse d'orée. Mit schnittigen Autos gab er den Platzhirschen: Peter Kraus, am 18. März 1939 als Sohn eines österreichischen Musikers geboren, zeigte keine Scheu, unbedingt berühmt werden zu wollen. „Was zählte“, gibt er noch heute zu, „war der Erfolg.“ Anfang der fünfziger Jahre hörte er ständig den US-Soldatensender AFN – und wollte auch so sein wie Chuck Berry, Paul Anka oder, mindestens, wie Elvis.

Dieser – durch eine kleine Rolle in dem Film „Das fliegende Klassenzimmer“ genährte – Größenwahn machte aus ihm ein spezielles Exemplar der Wirtschaftswunderjahre: Nach einem umjubelten Auftritt im Münchner Deutschen Museum mit Elvis-Versionen bekam Kraus einen Plattenvertrag vom Marktführer Polydor. Morgen vor vierzig Jahren besang er seine erste Single: „Die Straßen der Vergessenen“ – die B-Seite zum späteren Nummer-eins-Hit „Tutti Frutti“.

Innerhalb von drei Jahren begann er den Rock 'n' Roll auf deutsch zu buchstabieren. „Heulboje“ titulierte ihn die Presse. Sein Gesang, maulte ein Kritiker, würde die fragile Nachkriegsgeneration zermürben und von ihren Vätern entfremden. Unberührt davon genoß der junge Schnösel als Hipster der Fünfziger das, was die Deutschen ihm aus geldlichen Gründen erst später nachmachen konnten: La Dolce Vita.

Er schrie alles ins Mikro, was ihm sein Produzent Gerhard Mendelson befahl. „Diana“, „Ich möchte mit Dir träumen“ oder auch „Teddybär“: Daß in seinem stammelnden, von Schluchzern unterbrochenen Gesang kaum etwas takt- und tonsicher klang, störte am allerwenigsten seine weiblichen Fans. Teenager hauten seinetwegen von zu Hause ab, zerrissen ihre Kleider und legten sich Jeans zu: Nur weil Peter Kraus einmal sagte, daß er Jeans sexy fände.

1960 war seine Teenagerkarriere am Ende. Neue Hipster hatten sein Feld besetzt, Deutsch war als Popsprache vollständig out. In den Sechzigern und Siebzigern machte er Fernsehen (“8 mal 1 nach Noten“); in den Achtzigern spielte er in einigen Filmen Hans-Christoph Blumenbergs (“Der Sommer des Samurai“) wunderbar melancholische Rollen.

Auf die Frage, was ihm zu seinen ersten Karrierejahren einfällt, sagt er: „Ohne den damaligen Erfolg wäre mir alles spätere nicht möglich gewesen. Ich danke dafür.“ JaF

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