Das Portrait: Lakonischer Einsiedler
■ Townes Van Zandt
Erschreckend war es schon, als Townes Van Zandt vor ein paar Wochen in Berlin auftrat. Seinen Gig bekam er freundlich und müde lächelnd hin, auch Scherze über das, was in den Staaten als Grunge und Folkmusik bezeichnet wird, konnte er noch machen. Doch den Weg in die Backstage-Räume schaffte er nicht allein; ohne eine Hilfe, die ihn beim Laufen stützte, konnte er wegen einer vom jahrelangen Alkoholkonsum herrührenden Polyneuropathie schon längst nicht mehr gehen.
Wie in jeder guten Blues- Story waren Einsamkeit, Beziehungsunglück, Alkohol und Depressionen seine ständigen Begleiter. Doch einfach bloß nachgelebt hat Townes Van Zandt diese Mythen der amerikanischen Country-&-Folkmusiker von Robert Johnson bis zu dem letztes Jahr verstorbenen Gun-Club-Sänger Jeffrey Lee Pierce nie. Geboren als Sohn einer reichen texanischen Ölfamilie entschied er sich in den sechziger Jahren für die Musik. Er spielte mit der Blueslegende Lightnin' Hopkins, wohnte mit Roky Erikson von den 13th Floor Elevators zusammen und lebte nach eigenem Bekunden bis in die achtziger Jahre mit nichts anderem als einem Koffer und einer Gitarre: „Ich hatte jahrelang nicht mal eine Adresse. Dann hatte ich Adressen, wo ich mich aber kaum aufhielt. Erst als ich heiratete, habe ich mich niedergelassen“, so faßte Townes van Zandt in einem seiner seltenen Interviews, das er 1989 der Spex gab, ein Leben on the road zusammen.
Diese Kargheit war sein Stil, doch großen Erfolg hatte er zeit seines Lebens nie. Zu spröde, düster und schwermütig waren seine Songs für die breite Masse des interessierten Publikums. Wer ihn jedoch einmal in guter Form live gesehen hatte, war tief beeindruckt. So wie beispielsweise Robert Forster: „Er war wie Dynamit. Ich verließ das Konzert als veränderter Mensch. Das war Musik, die zu dir sprach, die dich mit ihrem Sinn für Poesie und großartigen Gitarrenmelodien bewegte.“
Von 1978 bis 1987 machte er überhaupt keine Platten, trat selten auf, verschwand zeitweise in selbstgewählter Isolation völlig von der Bildfläche: „Ich war zu der Zeit viel in den Wäldern“, lautete der lakonische Kommentar des Einsiedlers. Erst als andere Künstler mit seinen Songs Erfolg hatten, fing er wieder an, Platten zu produzieren und auch live aufzutreten. Am Neujahrstag ist Townes Van Zandt gestorben. Standesgemäß in Memphis, Tennessee. Gerrit Bartels
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