Das Portrait: Sonnengebräunter Kreidefresser
■ Gianfranco Fini
Daß der Mann das Zeug zum Wolf im Schafspelz hat, wußte schon sein Mentor Giorgio Almirante, seinerseits einer der Gründer des „Movimento sociale italiano“, der nachfaschistischen Rechten, die sich 1972 mit den Monarchisten mit Hilfe des Zusatztitels „Destra nazionale“ zum MSI/DN verbündet hatte. Gianfranco Fini, Jahrgang 1952, gehörte zu den ersten gelungenen Zöglingen der Doppelstrategie Almirantes: auf der einen Seite die parlamentarische Variante, stets zur Stelle, um den Christdemokraen aus prekären Situationen zu helfen, und andererseits das enge Bündnis mit der außerparlamentarischen Rechten, die ihrerseits Bombenleger deckte. Almirante schwor die Partei auf seine Nachfolge ein, so daß nach dem Ausscheiden des Altfaschisten aus dem politischen Topgeschäft Fini 1987 fast automatisch nachrückte. Doch der alte MSI ergab sich nicht so leicht einem Jünglein von damals gerade 35 Jahren. 1990 unterlag Fini auf einem durch Schlägereien gekennzeichneten Parteitag Pino Rauti, der dem „sozialen Flügel der Altfaschisten nahestand. Erst ein Jahr später wurde Fini erneut Parteisekretär. Von da an arbeitete Fini beflissen an einer neuen, erweiterten Formation: der Nationalen Allianz. 1993 trat er als Kandidat fürs Amt des Oberbürgermeisters von Rom an – und bekam unversehens einen mächtigen Wahlhelfer, den Medientycoon Silvio Berlusconi. Zwar verlor Fini die Wahlen, aber er hatte den Einstieg in die Noblesse Roms geschafft. Das nutzt er weidlich. Als ausgebildeter Pädagoge und Journalist mit einem finen Gespür für die Vermittlung von Ideologien, vor allem aber deren Verkürzung und demagogische Verschärfung ausgestattet, gehört er zu den imponierendsten Rednern des Parlaments. Die Gefahr bei ihm ist weniger die Ideologie – Fini ist ein Opportunist, der sich einerseits mit Speichelleckern umgibt, andererseits aber stets jenen gehorcht, die am lautesten schreien. Und mitunter fällt die demokratische Maske ganz schnell. Dann kommt wieder jene düstere Soße hervor, die den alten MSI/DN gekennzeichnet hat –Ablehnung der Verfassung, Feindschaft gegen Gewerkschaften, Restriktionen gegen die Emanzipation der Frauen und – natürlich – Gängelung aller Randgruppen. Werner Raith, Rom
Italiens Faschistenführer, in Berlin eingeladen: Gianfranco Fini Foto: Reuter
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