Das Portrait: Das Wiesel unter den Posträubern
■ Roy James
Das „Wiesel“ ist tot. Roy James war der Fahrer des Fluchtwagens beim berühmtesten Raub des Jahrhunderts, dem Überfall auf den Postzug zwischen Glasgow und London im Jahr 1963. Er starb am Mittwoch im Alter von 62 Jahren in einem Londoner Krankenhaus, nachdem eine Herzoperation schiefgegangen war.
James stammte aus dem Londoner Arbeiterbezirk Fulham. In den fünfziger Jahren begann er zwei Karrieren als Rennfahrer – die eine legal, die andere illegal. Er machte sich einen Namen als Formel-2-Fahrer, Experten prophezeiten ihm den Sprung in die Formel 1. Im Nebenberuf war er Mitglied der „City Gents“, die so hießen, weil sie bei ihren Raubüberfällen stets Bowlerhüte und falsche Schnurrbärte trugen. Bruce Reynolds, der Kopf der Bande, erinnert sich an den „unglaublichen Instinkt“, mit dem James die geklauten Jaguars durch London steuerte.
An der Planung des Postzugüberfalls, bei dem die Bande 2,6 Millionen Pfund erbeutete, war James von Anfang an beteiligt. Er gab sich als Lehrer aus, der seinen Schülern die Funktionsweise von Eisenbahnen erklären wollte, und ließ sich von einem gutgläubigen Lokführer haarklein zeigen, wie man einen Waggon abkoppelt.
Später sagte er, daß er bei dem Überfall nur mitgemacht habe, um seine Rennfahrerkarriere zu finanzieren. Doch die wurde von der Polizei gestoppt, die er selbst auf die Spur der Bande geführt hatte: Auf der Farm in Leatherslade, wo sich die Posträuber versteckt hielten, hatte er jeden Tag die Katze gefüttert und seine Fingerabdrücke auf dem Futternapf hinterlassen. Er wurde zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt.
Zwölf Jahre danach war er wieder frei und eröffnete ein Juweliergeschäft im Zentrum Londons. Im Gefängnis hatte er sich zum Silberschmied ausbilden lassen. 1984 heiratete er seine 30 Jahre jüngere Angestellte Anthea. Die Ehe scheiterte 1993. Beim Zank um die Unterhaltszahlungen schlug er seine Exfrau mit einer Pistole nieder und verwundete seinen Schwiegervater mit mehreren Schüssen. Dafür wanderte er wieder ins Gefängnis. Anfang des Jahres kam er frei.
Von der 13köpfigen Postzugbande leben jetzt noch acht. In Brasilien trauert Ronnie Biggs: „Ich werde ihn furchtbar vermissen. Er war ein netter Kerl. Ich habe mich nur ein einziges Mal mit ihm gestritten – bei einer Partie Schach.“ Ralf Sotscheck
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