Das Portrait: Der Mann, der zuviel telefonierte
■ Hans Wallner
„Wie die Jungfrau zum Kind komme ich zu solchen Sachen.“ Die Unschuldsmiene steht ihm gut, doch seine Karten stehen schlecht. Heute wird der bayrische Landtag die Immunität des Abgeordneten Hans Wallner aus Deggendorf aufheben, damit ihm die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl wegen Betrugs zustellen kann. Der CSU- Mann soll in vier Monaten für 25.000 Mark Sex-Hotlines über sein Diensttelefon, also auf Kosten der Steuerzahler, angewählt zu haben.
Bislang hatte der 47jährige Niederbayer alle Affären mühelos weggesteckt. Vor neun Jahren wurde der Abgeordnete vom Mann seiner Geliebten aus dem Rotlicht- milieu auf offener Straße verprügelt. 1990 brachte Wallner die bayrische Richterschaft mit der Bemerkung „A Handvoll Guate und der Rest is G'sindl“ gegen sich auf. Drei Jahre später hatte Wallner seine Landtagsnominierung mit der Drohung erpreßt, andernfalls Interna über die Deggendorfer CSU auszupacken. An Eides Statt bestritt Wallner diese Drohung, doch etliche Zeugen bestätigten sie. 9.000 Mark mußte Wallner wegen der falschen eidestattlichen Versicherung bezahlen. Kurz darauf mußte er 8.000 Mark wegen rüpelhaften Verhaltens auf der Autobahn berappen.
Der „Hansi“ aus Deggendorf pflegte sein Image als „Sauhund“ und erntete dafür Bewunderung in seinem Wahlkreis. Immer wieder wurde der frühere Bäckergeselle als Kandidat nominiert, immer gewann er das Direktmandat. Elf Jahre saß Wallner im Maximilianeum.
Mitte Oktober kündigten ihm die eigenen Parteifreunde die Gefolgschaft auf. Wallner fiel bei der Kandidatenkür durch. Tausende von Mark für Telefonsex – das war selbst der niederbayrischen CSU zuviel. Beim „Hansi“ keimte trotzdem noch einmal Hoffnung auf. Der Rechtsausschuß des Landtags verweigerte zunächst die Aufhebung seiner Immunität, da man die Verdachtsmomente gegen Wallner für unzureichend erachtete. Doch die Staatsanwaltschaft München präsentierte Zeuginnen, die für die Hotlines mit 0190-Vorwahl arbeiteten und bei Stimmproben den CSU-Mann wiedererkannten. Den letzten Nachweis, daß Wallner selbst gewählt hat, blieb die Staatsanwaltschaft schuldig. Wallner bestreitet jede Schuld und sieht sich als Opfer von Hackern. „Acht Stunden hintereinander Telefonsex – wer würde denn das aushalten?“ Bernd Siegler
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