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Das PortraitNordirlands Rattenkönig

■ Billy Wright

Er hieß nicht immer „King Rat“. Billy Wright, der vorgestern von der Irischen Nationalen Befreiungsarmee (INLA) ermordet worden wurde, stammte aus einer wohlhabenden protestantischen Familie. Er wurde 1960 geboren, wuchs er in der IRA-Hochburg Süd-Armagh auf und spielte in seiner Jugend mit katholischen Nachbarskindern gälischen Fußball, den irischen Nationalsport. Als der Nordirland- Konflikt Ende der sechziger Jahre offen ausbrach, zog die Familie ins protestantische Portadown. Nach dem Kingsmill-Massaker 1976, bei dem die IRA zehn protestantische Arbeiter ermordete, trat der damals 16jährige Wright der Ulster Volunteer Force (UVF) bei. In den achtziger Jahren wurden der Vater und der Bruder seiner Frau sowie Wrights Onkel von der IRA getötet. Er selbst überlebte sechs Mordanschläge.

Wright hatte eine Reihe von Gefängnisstrafen hinter sich, zuerst für Einbruch und Diebstahl, später wegen unerlaubten Waffenbesitzes und Widerstands gegen die Polizei. Nach seiner Entlassung wurde er Kommandant der Mid-Ulster-Brigade der UVF. Seine Einheit galt schon bald als besonders rücksichtslos und brutal.

Als die UVF und andere loyalistische Organisationen 1994 einen Waffenstillstand eingingen, war Wright zunächst dafür. Doch als der Streit um die protestantischen Paraden eskalierte, änderte er seine Meinung. Er kritisierte öffentlich die UVF-Führung und gründete seine eigene Organisation, die Loyalist Volunteer Force (LVF), die den Waffenstillstand aufhob und wahllos Katholiken ermordete. Dafür wurde er von der UVF des Landes verwiesen und, als er sich weigerte zu gehen, zum Tode verurteilt.

Obwohl Wright bei mindestens 30 Morden an Katholiken seine Hände im Spiel hatte, konnte man ihm keinen davon nachweisen. Im vorigen Jahr wurde er zu acht Jahren Gefängnis verurteilt, weil er eine protestantische Frau aus Portadown mit dem Tode bedroht hatte. Sie hatte gegen LVF-Mitglieder ausgesagt, die ihre Tochter zusammengeschlagen hatten.

Einer seiner Freunde sagte gestern, daß Wright seine Ermordung wohl als „legitimen Volltreffer“ angesehen hätte. „Die INLA war nicht im Waffenstillstand, und die LVF auch nicht“, sagte er. „Billy würde deshalb kein großes Gewinsel um die Sache machen.“ Ralf Sotscheck

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