Das Portrait: Dem Machtkartell Italiens auf der Spur
■ Gherardo Colombo
Insider halten ihn für das „Gehirn“ der Antikorruptionskommission „Saubere Hände“, aber auch sonst gilt er als einer der brillantesten Strafrechtsexperten Italiens: Gherardo Colombo, 57, Staatsanwalt und Chefankläger im bisher größten Prozeß gegen den Medienzaren und ehemaligen Regierungschef Silvio Berlusconi, soll nun nach dem Willen der vereinigten Politikergilde möglichst schnell geschuriegelt, oder noch besser, aus dem Amt vertrieben werden. Sein Vergehen: In einem Interview mit dem Corriere della sera hatte er, „als rein persönliche Überzeugung“, die These gewagt, die derzeit in Angriff genommenen Verfassungsreformen seien vor allem von Erpressung seitens hochrangiger Angeklagter in Korruptionsprozessen bestimmt. „Genauso wie das früher der Fall war, in der sogenannten Ersten Republik“ – jener, deren Sumpf die Ermittler seit 1992 auszutrocknen versucht hatten.
Weit hergeholt ist derlei nicht – daß Oppositionschef Berlusconi seine für die Zweidrittelmehrheit notwendige Zustimmung für die Änderungen nur um den Preis einer massiven „Reform“ der Strafjustiz in seinem Sinne gibt, scheint Colombo zu bestätigen. Und die Reaktion der Politikerwelt bestärkt diesen Eindruck – wütende Angriffe auf Colombo statt auch nur der Andeutung von Gegenargumenten. Als „typisch für den Linksextremismus“ geißelt Linksdemokratenchef Massimo D'Alema – er hat der Verfassungskommission vorgesessen – Colombos Einschätzung, und Justizminister Gianni Maria Flick sieht die gesamte Politik beleidigt und hat beim Obersten Richterrat gleich ein Disziplinarverfahren eingeleitet.
Colombo wußte, was er sich da zuziehen würde: Er hat seit Beginn seiner Karriere als Strafermittler Dutzende von Fällen aufgedeckt, die das Machtkartell demaskiert haben. Die derzeitige Polemik gegen sich sieht Colombo daher eher gelassen: „Man muß nur ein wenig Geschichte studieren, um sich darüber klarzuwerden, daß das Machtkartell bestimmte Aktionen der Justiz niemals vergeben wird.“ Diesen Ansatz hat er voriges Jahr in einem Buch niedergelegt, „Il vizio della memoria“ – Das Laster der Erinnerung. Und so bereitet er sich denn auch jetzt schon fast heiter auf den möglichen Rausschmiß vor: „Sie können mich verjagen. Es ändert nichts an den Tatsachen. Ich nehme kein Wort zurück.“ Werner Raith
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen