Das Portrait: Sinkender Stern nach Coming-out
■ Ellen DeGeneres
Bei uns, genauer: auf RTL nachts um halb eins und als Wiederholung morgens kurz vor neun, hat sie eine treue AnhängerInnengemeinde schon seit den Tagen, als ihre Serie noch in der ARD gezeigt wurde. „Ellen“, gespielt von der sympathisch kumpelhaften Ellen DeGeneres, ist die Serie für die Grün-Alternativen, die wie die Sitcom- Heldin als Single und Buchladenbesitzerin ständig über alle möglichen zwischenmenschlichen Hindernisse stolpert.
Was sie auch hierzulande bekannter machte, war die prüde Aufregung, die Ellen im vorigen Jahr in den USA auslöste: In einer der Folgen küßte die Hauptfigur eine Frau – und bekannte sich als lesbisch. Der öffentlich ausgetragene Streit darüber, ob eine TV-Heldin das überhaupt dürfe, machte den tiefen Kulturgraben in den USA deutlich. Einerseits die Parteigänger der „Moral Majority“, die durch Ellen den Sittenverfall des Landes bewiesen sahen; andererseits die aufgeschlossenen Bürger vom Schlage Präsident Clintons, Oprah Winfreys und Demi Moores, die den Kurs der Schauspielerin mehr oder weniger offen unterstützten.
In der entscheidenden Folge, in der DeGeneres ihre sexuelle Orientierung offenbarte, erzielte ABC eine Rekordquote. 42 Millionen US- Bürger wollten miterleben, wie DeGeneres sich durch ihr Bekenntnis stottert: „Ich bin lesbisch.“ Nun wird der TV- Sender die Geschichten vom komplizierten Leben mehrerer Singles in den besten Jahren allen Preisen und Ehrungen zum Trotz absetzen – gut (oder schlecht) amerikanisch mit der knappen Begründung, daß die zwischenzeitlich fallenden Quoten die Werbekunden abschreckten.
Keine Rolle soll gespielt haben, daß „Ellen“ vom konservativen Disney-Konzern aus moralischen Erwägungen zurückgezogen wurde. Tatsächlich haben Firmen irritiert reagiert, weil sie ihre Clips lieber nicht in einer Serie unterbringen wollten, die als umstritten gilt. RTL wird noch bis zum 4. Mai die letzten Folgen der vierten Staffel ausstrahlen; die fünfte und allerletzte Serie wird der Kölner Sender im Herbst bringen. Zur ABC-Programmpolitik hieß es gestern: „Wir haben keine Probleme mit Lesben als Heldinnen, unsere Zuschauer sind so etwas gewöhnt.“ Ellen DeGeneres wird – finanziell gesehen – längst ihre Schäfchen ins Trockene gebracht haben. Folgeangebote für ein Leben nach „Ellen“ hat sie jedenfalls noch keine. JaF
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