Das Portrait: Und Franz-Josef herrschet immerdar
■ Franz Josef Strauß
Es drohte nichts weniger als eine Katastrophe. Im Gottesdienst mahnte der Pfarrer bewegt zu Gebeten. Mit gedeckter Stimme informierten Sprecher des Bayerischen Rundfunks über die aktuelle Entwicklung in Regensburg. Alles Flehen verhallte ungehört, am 3. Oktober 1988, heute vor zehn Jahren, spielte das Radio Trauermusik.
Der Ministerpräsident und Vorsitzende der Christlich-Sozialen Union, der Landesvater und Kultstar, Franz- Josef Strauß war tot. Noch Tage zuvor hatte er gemütlich bei einer Maß Bier auf dem Münchner Oktoberfest gesessen, da streckte ihn auf dem Jagdschloß derer von Thurn und Taxis unverhofft ein Kreislaufkollaps nieder.
Als Todesursache stellten die sieben behandelnden Ärzte „Multiorganversagen“ fest, welches vornehmlich das Herz-Kreislauf-System betraf. Der „liebste Feind der bundesdeutschen Linken“ (taz), der in „unbeugsamer Freiheitsliebe und tiefer Verbundenheit zu seiner Heimat“ (von Weizsäcker), freilich „in offener Gegnerschaft zun den deutschen Sozialdemokraten“ (Vogel), einen „unersetzbaren Beitrag zum Aufbau der Demokratie geleistet“ (Genscher) hat, dessen Name ein Synonym war „für Kalten Krieg, Aufrüstung, Atompolitik und obrigkeitsstaatliches Politikverständnis“ (Die Grünen), hatte sich unerwartet ins Jenseits verabschiedet. Während politische Gegner zur Direktübertragung des Trauerzuges aus München mit Sekt anstießen und sich die „Stoppt Strauß“-Initiative einen neuen Namen suchen mußte (im Gespräch: Gauweiler), konnten sie mit Schaudern doch nur dabei zusehen, wie Strauß noch lange Schatten warf und wirft.
In Bayern regiert Franz- Josef Strauß quasi noch immer. Seinen Namen preist der amtierende Ministerpräsident und designierte CSU- Vorsitzende Stoiber so oft wie sonst nur das Wort „Steilvorlage“ vor einer Bundestagswahl. In Stoibers Büro steht eine Büste von Strauß, im Geist des FJS verrichtet Stoiber, der Erbe, seine Amtspflichten. Darauf ist er stolz, und niemand wirft es ihm noch vor. Die Periode der Strauß-Aufarbeitung ist vorbei, vor das Bild des macht- und geldgierigen Monstrum bavaricum hat sich längst die volkstümlich- verklärte Erinnerung an einen unterhaltsamen Redner, an ein bayerisches Original geschoben: A Hund war er scho, in jeder Hinsicht. Stefan Kuzmany
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