piwik no script img

Das PortraitIndiens fremde Schwiegertochter

■ Sonia Gandhi

„Sie hat nur einen Realschulabschluß“, höhnte die anonyme E-Mail. Schlimmer noch: „Sie arbeitete als Dienstmädchen.“ Man habe bei der Verwaltung der Universität Cambridge nachgefragt, und es gebe keine Absolventin namens Sonia Maino. Mit der Beschuldigung sollte ein romantischer Mythos zum Platzen gebracht werden: Die Begegnung Sonias mit Rajiv Gandhi 1965 in Cambridge war keine Studentenliebe gewesen. Die Tochter des ehemaligen italienischen Baumeisters Stefano Maino aus der Fiat-Vorstadt Obassano hatte bloß einen Sprachkurs besucht. Auch Rajiv, Sohn der indischen Premierministerin Indira Gandhi, hatte keine akademischen Ambitionen: Er hörte Ingenieurvorlesungen und wollte im wesentlichen einen Cambridge-Eintrag in seinem Lebenslauf.

Inzwischen ist Sonia Gandhi indische Bürgerin, Witwe Rajiv Gandhis und dessen Nachfolgerin als Vorsitzende der Kongreßpartei geworden.

Die Häme, mit welcher ihr Gegner ihre Biographie im Internet offenlegt, hat Gründe. Das Wühlen im Lebenslauf zeigt, daß Sonia Gandhis Gegner gelernt haben, sie ernst zu nehmen. Denn für viele Inder, gerade in den Dörfern, ist sie eine Bilderbuchfrau. Als sich Indira Gandhi nach der Heirat ihres Sohnes 1968 endlich mit der Mesalliance abgefunden hatte, wurde Sonia eine umsichtige und treue Schwiegertochter, eine stille Lebensgefährtin im Schatten ihres Mannes. Und nach dessen Ermordung 1991 verbrachte sie sieben Jahre in Trauer, bevor sie sich 1998 endlich herbeiließ, der nach Rajivs Tod verwaisten Kongreßpartei wieder auf die Beine zu helfen.

Zunächst machte sich das Rollenspiel bezahlt. Der Nimbus des Namens Gandhi, die scheue Zurückhaltung der Witwe, die ihr Gesicht mit dem Sari-Tuch halb verhüllt, trug zum Sieg bei, den die Partei in den letzten Regionalwahlen errang. Doch auch die Pamphlete zeigten ihre Wirkung. Würde die hindu-nationalistische BJP Sonias italienische Herkunft vier Monate lang zum Wahlkampfthema machen, könnte sie für den Kongreß zur Belastung werden.

Taktisch geschickt erklärte sie also ihren Rücktritt, als am Wochenende entsprechende interne Kritik laut wurde. Sie ist ja nicht die letzte in der Nehru-Gandhi-Dynastie von Nehru, Indira und Rajiv. Die 27jährige Tochter Priyanka, sagen die Leute, gleicht Indira „aufs Haar“. Bernard Imhasly

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen