Das Portrait: Ausdauernder als jeder Mann
■ Astrid Benöhr
Ist es eigentlich noch Sport? Oder sollte man es nicht doch besser schon als Verrücktheit bezeichnen, als Wahnsinn? Astrid Benöhr wird das oft gefragt, eigentlich immer, wenn von den Taten der 41jährigen Frau aus Bergisch-Gladbach die Rede ist. „Erholung und Selbsterfahrung“, sagt Benöhr dann, sei das, was sie sich in schöner Regelmäßigkeit immer mal wieder zumutet. Oder, ein wenig prosaischer beschrieben: „Eine Reise durch mich selbst.“
Die letzte Reise, die die Mutter dreier Kinder gemacht hat, war verdammt lang. Und doch auch wieder verdammt kurz. 38 Kilometer Schwimmern, 1.800 Kilometer Radfahren, danach die lächerliche Lapalie von 422 Kilometer Laufen. Zehnfach-Ultra-Triathlon nennt sich das, und allein dieser Name riecht nach Schmerz, unvorstellbarem Schmerz. Benöhr hat Körper- und Seelenpein bezwungen und dabei, das darf man in diesem Fall so sagen, schon weil sie ganz ohne Konkurrenz ins Rennen gegangen war, sich selbst besiegt. 187 Stunden, 18 Minuten und 37 Sekunden hat die 166 Zentimeter große und 50 Kilogramm schwere Frau dafür gebraucht. Das ist neuer Weltrekord, noch nie zuvor war ein Mensch schneller als die technisch-biologische Assistentin von der Uni-Klinik Köln. Die bisher gültige Bestmarke hielt der Franzose Fabrice Lucas, der fast fünf Stunden langsamer war als Benöhr; der Frauen-Weltrekord wurde bis dato von Silvia Andonie gehalten – gute zweieinhalb Tage brauchte die Mexikanerin länger.
„Reise durch mich selbst“: Triathletin Astrid Benöhr Foto: dpa
Das Geheimnis ihrer unmenschlich anmutenden Leistungsfähigkeit begründet Astrid Benöhr unaufgeregt mit „meiner hohen Gabe an Konzentration“. Die Fähigkeit, mit der Psyche die Physis überwinden zu können, ist bei ihr tatsächlich besonders ausgeprägt, weitere Bestmarken beweisen das. So hält Benöhr, die vor 20 Jahren mit dem Laufen begann, weil sie sich das Rauchen abgewöhnen wollte, auch über die fünffache Ultra-Triathlon-Distanz die absolute Weltrekordzeit; über die zwei-, drei- und vierfache Ironman-Strecke gehört ihr die Frauenbestmarke. Zudem ist sie deutsche Rekordhalterin im Zwölf-Stunden-Bahnlauf, auf 128 Kilometer hat sie es da gebracht.
Wie das alles weitergeht? Kürzlich hat ein Veranstalter wegen eines 20fach-Triathlons angefragt. „Es geht nicht darum, noch wahnsinniger, noch weiter zu gehen“, hat Astrid Benöhr da gesagt. Und dankend abgelehnt. Frank Ketterer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen