■ Das Portrait: Indiens neuer Polit-Star
Sonia Gandhi hatte sie gewarnt, nur ja nichts Schlechtes über andere Leute zu sagen. Doch als die 27-jährige Priyanka Vadra-Gandhi im Wahlkreis Rae Bareli vor die Leute trat, meinte sie trotzig: „Ich bin jung und kann meine Gefühle nicht kontrollieren.“ Und dann schimpfte sie los: Der Kandidat der rechtsnationalen BJP hätte ihren Vater Rajiv Gandhi verraten und ihm das Messer in den Rücken gestoßen. „Wie könnt ihr so einen hier hereinlassen? Dies ist unser Territorium. Wie konnte er die Frechheit besitzen, hierher zu kommen?“
Rae Bareli war der Wahlkreis gewesen, den Priyankas Großmutter Indira Gandhi stets quasi automatisch gewonnen hatte. Nun war der Verräter Arun Nehru seinem Vetter Rajiv in den Rükken gefallen, indem er dort für die BJP kandidierte. Doch wenn sie sich zwischen politischer und familiärer Solidarität entscheiden muss, war für Priyanka klar: Ihre Familie war der Kongress und für dessen Kandidaten würde sie Vetter Arun mit allen Mitteln bekämpfen.
Indiens Politik hat einen neuen Star – und wen wundert's, dass es wieder ein Mitglied des Nehru-Gandhi-Clans ist. Nach Urgroßvater Jawaharlal Nehru, nach ihrer Großmutter Indira Gandhi, nach ihrem Vater Rajiv stand plötzlich die 27-jährige Priyanka vor den armen Bauern des Gangesdeltas und machte Wahlkampf für ihre Mutter Sonia, die erstmals ein Mandat anstrebt. Dabei beharrt sie darauf, dass es „bessere Wege als Politik gibt, den Menschen zu dienen“.
Immer, wenn Priyanka im langen indischen Wahlkampf mit Sonia auftrat, wollten die Leute sie sehen. Während sich die scheue Mutter, die wegen ihrer italienischen Herkunft von der Opposition mit Dreck beworfen wurde, ängstlich hinter ihrem Manuskript verbarg, winkte Priyanka fröhlich lachend in die Menge. Sie lief durch die verschlammten Dorfwege von Sonias Wahlkreis Amethi, schlürfte an den Dorfschenken Tee und besuchte die Hütten der Armen. „Sie sieht wie Indira aus“, flüsterten sich die Frauen zu. Jedenfalls wurden die Leute wieder an die Familie erinnert, die Hoffnung in ihr hartes Leben gebracht hatte. Der Nehru-Gandhi-Clan mochte brahmanisch und städtisch sein, er mochte seinen Nimbus für kalte Machtpolitik missbraucht haben – seine dynastische Aura hatte Bestand. Sonia Gandhi hatte nach dem Tod Rajivs dieses Erbe verwaltet, aber einlösen könnte es Priyanka.
Bernhard Imhasly
Hinweis:Priyanka Gandhi führt Indiens wichtigste Polit-Dynastie fort Foto: AP
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