Das Portrait: Schleudern für die Balance
■ Eddie Irvine
Er ist der wahre Formel-Eins-Weltmeister. Eddie Irvine, der Nordire, hat aus politischen Gründen auf den Titel verzichtet und sein Auto gestern früh im japanischen Suzuka gemächlich auf den dritten Platz gesteuert. Die Entscheidung war bereits am Samstag gefallen: Aus Belfast hatte Unionistenchef David Trimble ihm viel Glück für das Rennen gewünscht. Der nordirische Friedensprozess steckt zur Zeit aber in einer entscheidenden Phase, beide Seiten suchen nach dem Gleichgewicht des Gebens und Nehmens – ein Champion, von einer Seite für sich reklamiert, könnte alles aus der Balance bringen. Später, wenn der Nordirlandkonflikt Geschichte ist, werden sie Irvine dafür ein Denkmal bauen.
Nordire Eddie Irvine (33) wurde aus gutem Grund nicht Formel 1-Weltmeister Foto: Reuters ‚/B‘Unkonventionell war der 33-Jährige schon immer. Im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen war er schon fast aus dem Teenageralter heraus, als er das erste Mal hinter dem Steuer eines Autos saß. Sein Vater Edmund sagt, Eddie habe damals mehr Interesse an den Autoaufklebern gezeigt als am Rennfahren.
Als er in der Formel Ford begann, sagte ein Kollege über ihn: „Irvine wird nie ein Rennfahrer, solange ich ein Loch im Hintern habe.“ Doch 1984 gewann er 16 Rennen und wurde Formel-Ford-Meister, drei Jahre später heuerte ihn Marlboro für die Formel Drei an. Wegen seiner eher mäßigen Leistungen schien seine Karriere bald vorbei, doch dann kam der furchtlose irische Rennstallbesitzer Eddie Jordan. „Ich bin gegen seinen Vater Rennen gefahren“, sagte Jordan, „ich kenne die Familie seit 20 Jahren.“
Im vorletzten Rennen der Saison 1993 fuhr Irvine sein erstes Formel-Eins-Rennen für Jordan – ausgerechnet in Suzuka. Er wurde Sechster, kollidierte unterwegs mit Ayrton Senna, wurde von dem Brasilianer dafür geohrfeigt und bekam den Spitznamen „Irv the Swerve“: Schleuder-Irvine. Im zweiten Rennen baute er einen Unfall, im dritten fuhr er gleich vier Autos zu Schrott. Seit 1995 war er bei Ferrari Wasserträger für Schumacher. In der nächsten Saison fährt er für Sauber-Jaguar.
Bei Ferrari verdiente er zehn Millionen Mark im Jahr, ein Pappenstiel im Vergleich zu Schumachers Einkünften. Dabei ist Irvine viel unterhaltsamer als der Kerpener, und um nichts anderes geht es doch beim Formel-Eins-Zirkus. Wen interessiert schon ein verbissener Ehrgeizling? Irvine, dessen Hobbys Guinness und Girls sind, ist allemal besser für die Show. Ralf Sotscheck
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