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Das Porträt„Bei mir bist du schön“

■ Zarah Leander

Hinterher habe ich oft bedauert, nicht gefahren zu sein. Dann nämlich hätte ich sie noch live – und unglaublich billig – auf der Bühne erlebt. Doch wenn man dreizehn ist, gibt es Unverdächtigeres als die Teilnahme an skurrilen Butterfahrten in die Heide mit integriertem Wurstverkauf und Zarah-Leander-Auftritt.

Richtig schön, tröste ich mich seither, wäre das Konzert wohl auch nicht gewesen, damals, Mitte der 70er. Zarah Leander war nicht nur der UFA-Star, sie galt auch als Blaupause für unwürdiges Altern auf Showbühnen: Ihr einst berühmter Kontra-Alt, am Schluß taugte er nur noch zu tumultuarischem Grölen. Die Diva verlangte ihren Fans einiges ab, aber die Fans, hart im Nehmen, gaben von Herzen.

Die Gesangskarriere der Zarah Stina Hedberg – die heute neunzig würde, wäre sie nicht 1981 gestorben – begann in den späten 20er Jahren auf Operettenbühnen und in Revuen. Deutsche Hörer wird der leichte, unprätentiöse Ton ihrer frühen schwedischen Schellackplatten erstaunen, Lichtjahre entfernt von der unheilverhangenen Weihe der späteren deutschen Aufnahmen.

Erst im deutschen Film wurde ihr enormes Potential genutzt, auf höchst attraktive Weise unglücklich zu erscheinen. In ihren zwischen 1937 und 1942 entstandenen UFA-Filmen wirkt die Leander trotz meist historischer Dekore modern und romantisch in einem: frei im Geist, nicht korrumpierbar in ihrer Liebe und doch gefesselt in Konventionen und Sachzwängen, die ihr die Liebe zur Hölle machen. Vermutlich war es diese obstinate „Ich steh' im Regen“-Haltung, die Leander-Filme auch ohne propagandistischen Inhalt zu geeigneten Vehikeln des Nationalsozialismus machten.

Nach dem Krieg half es nicht viel, daß die Diva Deutschland 1942 verlassen hatte, daß sie sich nie mit Hitler fotografieren ließ (wohl aber mit Cocteau im besetzten Paris) oder daß sie 1938 Scholom Secundas „Bei mir bist du schön“ in schwedischer Sprache aufgenommen hatte. Das melodramatische Unglück der Leander war in den Jahren des beginnenden Wirtschaftswunders schlichtweg passé. Erst mit selbstironischen Rummelplatzshows à la „Madame scandaleuse“ oder „Wodka für die Königin“ (Musik: Peter Thomas!) begann die späte zweite Karriere der Leander. Zwar anders, aber doch wieder als monstre sacré. Reinhard Krause

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