Das Parlament und die Euro-Krise: Abgeblitzt
Die Bundesregierung hält nichts davon, den Vertrag zur Ausweitung des EU-Rettungsschirms vom Parlament absegnen zu lassen. Andere Länder sind da offener.
BERLIN taz | Die Bundesregierung will den Vertrag für die Ausweitung des europäischen Rettungsschirms EFSF nicht formal vom Parlament beschließen lassen. Das geht aus der Antwort des Finanzministeriums auf eine schriftliche Frage der Grünen-Fraktion hervor, die der taz vorliegt. Änderungen am EFSF-Rahmenvertrag müssten nach dem Grundgesetz in Deutschland nicht ratifiziert werden, argumentiert Jörg Asmussen, der zuständige Staatssekretär, in dem Schreiben.
Die Blockadehaltung wird von der Opposition kritisiert. "In diesem Vertrag sind genügend Regelungen enthalten, die eine Ratfizierung verfassungsrechtlich nötig machen", sagt Manuel Sarrazin, europapolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. "Mit seiner Weigerung gefährdet Herr Schäuble nicht nur die Geduld des Parlaments mit der Regierung, er bietet auch eine verfassungsrechtliche Angriffsfläche für ewiggestrige Eurogegner. Das ist unklug."
Ob eine Ratifizierung nötig ist oder nicht, ist auch Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde des CSU-Abgeordneten Peter Gauweiler gegen den Euro-Rettungsschirm, die derzeit in Karlsruhe anhängig ist.
Andere Länder gehen bei der Einbindung ihrer Parlamente offener vor. So räumt Asmussen in seinem Schreiben ein, dass der geänderte EFSF-Vertrag in neun Mitgliedstaaten vom Parlament abgesegnet wird, darunter Irland, Spanien, Finnland. Selbst die italienische Regierung unter Ministerpräsident Berlusconi - der nicht als Vorkämpfer parlamentarischer Einbindung gilt - legt den Vertrag den Abgeordneten zur Beschlussfassung vor.
Die Regierung arbeitet derzeit an einem Gesetzentwurf, der die Beschlüsse des Krisengipfels der EU-Staatschefs im Juli in nationales Recht gießen soll. Nach ihrer Rechtsauffassung reicht es, das Gesetz zu verändern, das der Bundestag im Mai 2010 beschlossen hat, als der Rettungsschirm aufgespannt wurde.
Der Zeitplan ist eng. Das Kabinett soll sich Ende August mit dem Gesetz befassen, das Parlament soll es bis zum 23. September beschließen. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatte Anfang der Woche das Tempo der Beratungen scharf kritisiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“