: Das Paket ist geschnürt
■ Ein Gespräch mit dem Berliner Kultursenator Ulrich Roloff-Momin
taz: Die Belegschaft der Staatlichen Bühnen versucht mit allen Mitteln, die Schließung ihres Hauses zu verhindern. Bestehen Chancen, daß sie damit Erfolg hat?
Roloff-Momin: Heute war je ein Vertreter der Technik, der Verwaltung und des Ensembles bei mir. Die arbeiten gerade einen Plan aus, wie sie das Haus unter erheblichen Einsparungen in der nächsten Spielzeit weiterführen können. Im Gespräch waren 7 Millionen Mark, die man jetzt einsparen will. Ich habe ihnen keine Hoffnung machen können, daß die Senatskoalition in diesem Punkt nachgeben wird. Das Paket ist geschnürt.
Sie haben in den vergangenen Jahren die Staatlichen Bühnen mehrfach zum Sparen aufgefordert. Aber der Etat ist jährlich gestiegen. Wie ist es plötzlich möglich, 7 Millionen einzusparen?
Ich habe den dreien diese Frage auch gestellt. Dieses Signal aus dem Schiller Theater hätte früher kommen müssen. Wenn zu Zeiten, als ich den anderen Theatern die pauschalen Minderverordnungen aufdrücken mußte, ein solches Angebot gekommen wäre, würden wir die heutige Diskussion sicher nicht führen müssen.
Apropos „Signal“: Wollten Sie mit der Entscheidung, ausgerechnet die Staatlichen Bühnen zu schließen, Ihrerseits ein Signal setzen?
Wir haben diese Entscheidung nicht getroffen, um Signale zu setzen, sondern weil es keine Alternative gab.
Wie erklären Sie sich dann die harschen Reaktionen?
Diese Entscheidung ist in eine Gemengelage hineingefallen, die tatsächlich bisher niemand genau kannte, die jetzt aber deutlich wird. Die Gesellschaftsverhältnisse, die Kulturen in Ost und West driften auseinander. Frank Castorf und Thomas Langhoff haben ja auch darauf hingewiesen, daß im Westen niemand aufgeschrien hat, als im Osten die Industriekombinate abgewickelt worden sind, als das „Ei“ oder das „Theater im Palast“ geschlossen worden sind. Die, die da jetzt empört aufschreien, sind alle Wessis, und sie denken wie Wessis.
Es hieß sogar, der Westen der Stadt werde mit diesem Beschluß ausgetrocknet.
Das ist wirklich der reinste Hohn. Die ganzen Privattheater der Stadt, mit Ausnahme des Berliner Ensembles, liegen im Westen.
Offensichtlich ist der Aufschrei im Westen auch so groß, weil bisher niemand glauben wollte, daß die Hochkultur ernstlich von der veränderten Lage bedroht sein würde. Hätte man nicht früher radikal reformieren müssen, statt jetzt radikal zu schließen?
Wir schließen ja nicht nur, wir sanieren auch. Es wird für die anderen Theater 25 Millionen Mark mehr geben. Geld, das die Bühnen dringend brauchen. Mit dieser Entscheidung einher geht eine Bestandsgarantie für die anderen Theater.
Ist diese Garantie denn haltbar? Was passiert, wenn die Stadt mit der Zeit immer ärmer wird?
Letztlich ist das eine grundsätzliche Frage der Werteentscheidungen. Der Entschluß des Senats, Berlin als kulturelle Metropole zu erhalten, gilt nach wie vor. Selbst wenn wir wirklich noch ärmer werden, müssen wir zu diesen Werteentscheidungen stehen. Dann müssen wir das Geld eben woanders herholen. Sicher sind 19 Theater und drei Opernhäuser eine erschreckend hohe Zahl. Aber auf der anderen Seite haben diese Häuser ja auch ihren Anteil an der Anziehungskraft der Stadt. Und das galt für das Schiller Theater eben nur sehr begrenzt. Ich denke, dieser Beschluß hat eine sehr generelle Konsolidierung der Theaterlandschaft herbeigeführt.
Inwiefern generell?
Die Schließung des Schiller Theaters hat ein tiefes Unbehagen, – ja Mißtrauen – in der Frage der Strukturen der Häuser ausgelöst. Der Bühnenverein fordert schon seit längerem, die inneren Strukturen der Theater zu verändern. Die Diskussion um das Schiller Theater wird dazu beitragen, endlich Wege aus dem „Kunstbeamtentum“ zu suchen. Da muß es um Tarife, Arbeitszeitordnung und vieles mehr gehen.
Sind das nicht letztlich alles Wege in die Privatisierung der Kultur?
Was spricht grundsätzlich gegen Privatisierung? Wir dürfen doch nicht so hochnäsig sein, uns über das hinwegzusetzen, was den Leuten gefällt! Diese privaten Angebote haben immerhin einen großen Zuschauerzuspruch. In der Freien Volksbühne wird im Herbst sicher etwas gespielt werden, das den Leuten gefällt. Und das wird im Schiller Theater genau so sein. Ich habe jetzt schon mindestens fünf Angebote, das Haus ohne Subventionen zu bespielen. Und da wird etwas gespielt werden, das Erfolg hat. Sonst wird es nämlich nicht gespielt. Dieser Markt funktioniert sehr simpel.
Und wieviel Hochkultur wird angesichts dieser privaten Konkurrenz langfristig bleiben?
Die Zahlen sprechen da eine deutliche Sprache. Die Besucherzahlen der Oper, der Orchester und einiger Theater sind ein Beleg dafür, daß die Hochkultur keine Domäne einer schmalen Elite ist. Die Komische Oper bedient auch den kleinen Mann auf der Straße.
Aber diese staatlichen Angebote kosten Geld, die der Staat nicht mehr hat. Und der freie Markt liefert doch eine etwas andere künstlerische Qualität.
Sicher, wenn ein Sprechtheater privat geführt wird, spielt man dort Seichtes. Der Staat dagegen hat die Verpflichtung, Kultur zu bieten – und zu subventionieren – die es bei den Privaten nicht geben wird. Wir müssen da eine Arbeitsteilung anstreben. Deshalb privatisieren wir das „Metropol“ und den „Friedrichstadtpalast“. Natürlich wird es in privaten Opern, Sprechbühnen oder Orchestern keine Uraufführungen zeitgenössicher Werke geben. Da muß der Staat dann seine Verpflichtungen erfüllen.
Wie wird er das tun?
Wir haben ja jetzt schon ein anderes Strukturkonzept für die Bühnen: Wir nehmen den Staat aus den Etats raus, um Geld einzusparen. Die subventionierten Häuser können jetzt eigenständig wirtschaften, das Land Berlin übernimmt lediglich die Tariferhöhungen im Personalbereich.
Aber gerade damit überantworten Sie die Theater doch weitgehend dem freien Markt. Haben Sie keine Angst vor der Schere im Kopf, die sperriges, innovatives Theater eher verhindern wird?
Das glaube ich eigentlich nicht. Aber sicher werden sich die Intendanten jetzt überlegen müssen, wie sie ihren Spielplan so gestalten, daß über die Klassiker genug Geld reinkommt, um auch die Experimente finanzieren zu können.
Glauben Sie, daß wir mit dieser Perspektive auch in zehn Jahren noch alle 19 Sprechtheater, drei Orchester und drei Opern haben?
Ich glaube, wir werden noch viel mehr Häuser haben. Der private Anbieterbereich wird zunehmen, und die Staatsbühnen werden sich in einem Konkurrenzkampf dazu befinden. Aber ich bin sicher, daß sich das Geflecht von staatsgestützten Bühnen und Staatstheatern insgesamt nicht verändern wird. Interview: Klaudia Brunst
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