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Das Olympische Feuer in LondonKlatschhilfen von Samsung

„Wonderwall“ als Nationalhymne und eine Feuerträgerin auf High Heels. Der Fackellauf durch London startete im Osten der Stadt und hatte einige skurrile Momente.

Das Olympische Feuer in London: im Hintergrund Big Ben Bild: dapd

LONDON taz | Erst fährt der Samsung-Bus vorbei, dann folgt der von Coca-Cola und danach kommt noch der Lloyds TBS-Bus. Alle offiziellen Sponsoren des olympischen Fackellaufs verteilen Fähnchen an die hinter den Absperrgittern stehenden Menschen, Samsung wartet noch dazu mit aufblasbaren, blauen Ballons in Form überdimensionierter Zuckertütchen auf. Sie sollen als Klatschhilfen dienen.

Weitere Minuten des Wartens vergehen auf der High Street von East Ham, dort wo der Londoner Osten am östlichsten ist, dann gerät es endlich in Sichtweite: das olympische Feuer.

Rechtzeitig kommt es in London an, bevor den Medien noch die letzte Puste ausgeht bei der Berichterstattung über die wochenlange Staffette von ehemaligen Leistungssportlern, spendablen Honoratioren oder kriegsversehrten Soldaten durch die hintersten Winkel der Britischen Inseln. Die nächsten Tage sind Menschenmassen vor weltberühmten Postkartenmotiven wie Big Ben oder Buckingham Palace garantiert.

Allerdings nicht hier in East Ham, wo der 19-jährige Samuel Bernahu mit der Olympiafackel an Friseurläden, Gemüsehändlern, Internetcafés und indischen Restaurants vorbei von einem Pulk sportlich bekleideter Sicherheitsleute in den Central Park eskortiert wird.

Dort findet dieses Wochenende wie jedes Jahr der Newham Carnival statt, eine Feier der multikulturellen Vielfalt des Bezirks. Nun wurde er mal eben flugs zur Fackelzeremonie umgepreist.

Auf der großen Bühne im Park warten auf Samuel Bernahu zwei Moderatoren, die ihm kaum mehr als ein „großartig“ entlocken können, als sie wissen wollen, wie's ihm mit der Fackel in der Hand so geht.

Redseliger ist der ebenfalls anwesende Robin Wales, Bürgermeister des Bezirks Newham, zu dem East Ham gehört. Mit seiner Amtskette um den Hals, fordert er das Publikum auf der vom wochenlangen Regen durchweichten Wiese vor der Bühne auf, sich lautstark und offiziell darüber zu freuen, dass die meisten der Sportwettkämpfe in den Grenzen ihres Bezirks stattfinden.

Eye of the Tiger

Der Olympiapark befindet sich nur wenige Meilen von hier. Danach schmettert der Kinderchor im Bühnenhintergrund Beethovens Ode an die Freude.

Langsam kommen die Zuschauer in Stimmung, auch weil das Moderatoren-Duo keinen schlechten Job macht. Durchaus unterhaltsam äfft es zur Rockschmonzette Eye of the Tiger verschiedene Sportarten nach.

Die Peinlichkeit, dass sich nur wenige im Publikum auf die Frage melden, wer denn Tickets für die Wettkämpfe besitzt, machen die beiden wett, indem sie schnell alle dazu animieren, „Wonderwall“ von Oasis mitzusingen. Das sei ja wohl die eigentliche Nationalhymne, finden sie.

Lauf in Socken

Auch in Londons Osten ist der Fackellauf ein Showcase für Prominente und verdiente Bürger: die einstige Paradesportlerin des Caucescu-Regimes, Nadia Comăneci, turnt mit der Fackel auf dem Dach der O2-Arema herum, Dreisprung-Favorit Phillips Idowu nimmt mit ihr die Treppen zur neugebauten Shopping Mall neben dem Olympiapark, Großbritanniens Rapper Nr. 1, Dizzee Rascal, läuft auf Socken durch die Commercial Street in Whitechapel, der 101-jährige Dauerläufer Fauja Singh kriegt auch seinen Abschnitt.

Profifußballer Fabrice Muamba wird der letzte Fackelträger des Tages sein. Er hatte im Frühjahr während eines Spiels seines Vereins Bolton Wanderers gegen Tottenham Hotspur einen Herzstillstand erlitten.

Auf der Bühne in East Ham ist es allerdings Nachwuchsstar Paloma Faith, die als nächste die Flamme entgegennimmt. Der Applaus für die Sängerin ist verhalten, stammt sie doch schließlich aus dem Nachbarbezirk Hackney.

Knallrote High Heels

Faith wird derzeit als Whinehouse-Nachfolgerin verhandelt, was sie selbst heute mit ihrer Bienenkorbfrisur unterstreicht. Noch mehr Aufmerksamkeit erzielen aber ihre knallroten High Heels mit Plateusohlen und mindestens 13 Zentimeter hohen Absätzen. Die Moderatoren können nicht recht lauben, dass sie damit ihren Lauf absolvieren will.

Doch nachdem die Zuschauer Faith auch noch ein Ständchen zu ihrem 26. Geburtstag haben geben müssen, legt sie, als sie von der Bühne verschwindet, tatsächlich einen zackigen Gang ein.

Auf einem großen Bildschirm verfolgt die Menge gebannt, ob sie nicht doch noch mit der Fackel stolpert und neben dem Holzplankenweg auf die matschige Wiese stürzt.

Nein, tut sie nicht. Gerade mal nach 200 Metern reicht sie das Feuer an Sheikh Sheikh, einem Rollstuhl-Wettkämpfer weiter. Ihre Fackel gibt sie brav an einen Funktionär ab, der sie in eine Halterung in einem mitfahrenden Bus steckt.

Teil der Geschichte

Rosie, die in der High Street wohnt und an der Absperrung steht, gibt das Geschehen per Handy an ihre Familie, die im Pub sitzt, weiter. Sie ist guter Dinge, dass die Spiele die Gegend hier um den Central Park langfristig verbessern helfen. „Fühlt sich ein bisschen an, als ob man Teil der Geschichte sei“, kommentiert sie den Fackellauf durch ihren Wohnort.

Ihre Bekannte Miša die ursprünglich aus dem slowakischen Kosice stammt, kann dagegen dem Spektakel nichts abgewinnen und verlässt East Ham in den nächsten Tagen vorübergehend in Richtung alter Heimat.

„Das hier erinnert mich an früher, an den ersten Mai im Sozialismus. Viele Kinder werden herbeigekarrt und winken, ohne zu wissen, worum es eigentlich geht.“ In den einschlägigen Internetforen zum Fackellauf geht es Stunden später in der Hauptsache um die High Heels von Paloma Faith.

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4 Kommentare

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  • LB
    Lady Bitch Hengst

    Daß das griechische Team über die Hälfte ihrer Sportler wegen Sparmaßnahmen zu Hause lassen mußte, interessiert auch kein Arsch.

  • ZT
    Zero Two

    Das heisst immer noch "Null Zwei Arena"

  • H
    Herkules

    Die olympische Flamme hat nichts bei diesem Imperialistenpack zu suchen. Olympische Spiele sind eine philhellene Abart des westlichen Kulturimperialismus, der in seiner Vertrottelheit nicht gerafft hatte, daß die Hälfte der Griechen, denen man 1821 heldenhaft zur Rettung herbei eilte, überhaupt nicht "ihr" europäisches (Alt)Griechisch sprach und die andere Hälfte eh Albaner waren. Daraufhin hat man sich sein Griechenland passend gezaubert mit falschen Übersetzungen (Demokratie), völligem Mißverständnis (Sklaverei und Patriachat war die Herrschaftsform des Altertums und nicht Demokratie) und eben dreisten Verfälschungen, denn im Altertum waren alle Athleten gedopt.

  • M
    Matze

    Redakteure gibt's nicht mehr? Korrekturleser_innen auch nicht?

     

    -Lloyds-TSB statt "TBS"

    -die Straße heißt High Street North, nicht "High Street"

    -Was bedeutet eigentlich "wo der Londoner Osten am östlichsten ist"? Viele Chines_innen? Viele Ostasier_innen? Viele Inder_innen? Viele Bangladeschis? Wenn: es stimmt nicht, Tower Hamlets, etwas westlich, im 'echten' East End ist "östlicher".

    -Ceaucescu statt "Caucescu"

    -Arena statt "Arema"

    -Amy Winehouse statt "Whinehouse"

     

     

    Schön geschreiben, aber leider schlampig abgetippt. Es nervt schon, wenn man konzentriert liest.

     

    Wichtiger wäre es mir aber Ronald Reng darauf hinzuweisen, dass in der "Debatte" um "Plastikbriten" es nicht *nur* (wenn aber auch) um Rassismus geht, sondern auch, dass etwas Unmut durchaus verständlich ist, da zum Beispiel Yamile Aldama nicht nur bereits für Kuba bei den olympischen Spielen aufgetreten ist, sonden auch für Sudan. Wieso wird das verschwiegen?

     

    Vielleicht hatte sie dort auch den Müll aufgehoben und die Nationalhymne auswendig gelernt?