Das New Yorker Duo Blondes: Dunkelhaarige Sphäriker
Das New Yorker Duo Blondes hat einen Hang zum Existenziellen. Ihr Debütalbum präsentiert eine abgeschlossene Tetralogie samt beigelegter Remixe.
Das New Yorker Duo Blondes hat einen Hang zum Existenziellen. Daraus machen die beiden Musiker Sam Haar und Zach Steinman keinen Hehl. Ihr Debüt - ein Doppelalbum - heißt schlicht und einfach "Blondes".
Die Titel ihrer Tracks bestehen jeweils aus einem Wort, das mit dem darauf folgenden ein Paar bildet: "Lover/Hater", "Business/Pleasure", "Wine/Water", "Gold/Amber". Die ersten drei dieser Paare sind bereits als Maxisingles beim exquisiten New Yorker Label RVNG Intl. erschienen.
Ihr Debütalbum präsentiert nun die abgeschlossene Tetralogie samt beigelegter Remixe. Seltsamer Zufall: Beide Musiker sind dunkelhaarig, beide haben eine klassische Musikausbildung durchlaufen. Kennengelernt haben sie sich auf dem renommierten - Musiker von Tortoise und Beach House sind Alumni - Oberlin-College in Ohio, wo sie elektroakustische Komposition studiert haben. Ihre Wanderjahre haben sie in Berlin zugebracht, momentan leben sie in Brooklyn.
Es liegt aber nicht nur an ihrer Biografie, dass die Musik von Blondes gelegentlich mit verächtlichem Unterton als "Hipster House" bezeichnet wird. Haar und Steinman machen einfach die richtige Musik zur richtigen Zeit. Auch die Auswahl der Remixer, etwa die New Yorker Biceps oder der Brite Andy Stott, beweisen ein feines Händchen. In ihren eigenen Tracks kombinieren Blondes die sphärischen Synthie-Kaskaden des Chillwave mit Anklängen an den rumpeligen House der frühen Neunziger.
Sie selbst sehen sich in einer anderen Tradition und nennen den Komponisten und Bandleader der gefürchteten Berliner Krautrockband Ash Ra Tempel, Manuel Göttsching, und sein Album "E2-E4" als Inspirationsquelle. Wie bei Göttsching spielt im Arbeitsprozess von Blondes die Improvisation die Hauptrolle - viele ihrer Tracks sind in einem Take aufgenommen.
Improvisation braucht eine klare Grundlage
Anders als die Chillwaver heften sich die Blondes aber nicht das Lo-Fi-Label ans Revers. Bei ihnen gibt es auch keinen verrauschten Gesang zu hören, wie ihn Toro Y Moi und Kollegen mit den Filterarchiven ihres Laptops erzeugen. Nicht, dass die Vorliebe der Blondes mit Keyboards und Synthesizern zu improvisieren das unmöglich machen würde, vielmehr handelt es sich um eine soundästhetische Entscheidung: sphärisch und trotzdem klar produziert.
Blondes verbergen keine Samples hinter Rauschen und Knacken - es gibt schließlich keinen Grund, die ziemlich ausgetüftelten Beats zu verstecken. Zum Beispiel bei "Wine", das mit einem fantastischen Remix des Tracks von Teengirl Fantasy zu den Höhepunkten von "Blondes" zählt: Hier lassen sich Haar und Steinman zu einem klassisch stampfenden House-Beat hinreißen und schichten dann in einem komplexen Geflecht einen Synthesizer-Sound über den anderen, lassen diese filigran ineinander übergehen, um den Track dann langsam ausklingen zu lassen.
Diese Struktur, die in kleineren Abweichungen den meisten Werken von Blondes eigen ist, lässt sich auch auf ihre Arbeitsweise zurückführen. Improvisation braucht eine klare Grundlage, auf der Schicht um Schicht aufgebaut werden kann. Eben darin haben es Blondes zu einiger Meisterschaft gebracht. Ihr Debütalbum ist nun der Versuch, breitere Hörerschichten anzupeilen, schließlich funktioniert ihre elektronische Popmusik auch jenseits der Clubs, in denen sie auftreten.
Das erklärt auch die dem Album beiliegenden Remixe und die Veröffentlichung in den Formaten CD und LP. Die Hoffnung auf ein größeres Publikum ist durchaus berechtigt: Blondes sind mit ihrem Mix aus Chillwave und House zwar nicht die alleinige Zukunft der elektronischen Tanzmusik, zu der sie in einigen Blogeinträgen ausgerufen wurden. Aber eine mögliche.
Blondes, live, 11. Februar, Berghain, Berlin
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