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■ Das Netzwerk Noch- und Ex-Grüner Kriegsgegner ist gescheitertVerhöhnen und spalten

Es hätte selbst Johannes Rau, der Versöhner, nicht beschwörender flehen können, als die kriegskritischen grünen Bundestagsabgeordneten. Alles hatten sie beim Gründungstreffen eines Netzwerks von inner- und außerparteilichen Kriegsgegnern versucht, um Ex- und Noch-Grüne gleichermaßen einzubinden. Respekt, Toleranz, Verständnis für die jeweils andere Position erbaten sie. Der Parteiaustritt wie die weitere Mitgliedschaft seien als Optionen gleichermaßen moralisch, eine Unterscheidung in gute und schlechte Linke dürfe es nicht geben.

Die Wut der Ausgetretenen auf „die Kriegspartei des Joschka Fischer“ war stärker. Ihr mehrheitlich angenommener Aufruf zu einem Boykott der Grünen bei der Europawahl war eine kalkulierte Provokation. Laßt uns in Ruhe mit dem Toleranzgefasel, lautete die eine Botschaft des Beschlusses, die andere, wir wollen kein Bündnis mit grünen Mandatsträgern, gleich wie kriegskritisch sie sein mögen. Ein Beschluß mit zwei Zielen: Verhöhnen und Spalten.

Statt in Dortmund ein Bündnis aus der Taufe zu heben, wurde das Treffen am Sonntag zur Beerdigung erster Klasse. Die grünen MdBs um Annelie Buntenbach und Christian Ströbele, die unmöglich einen Wahlbokyott der eigenen Partei mittragen konnten, zogen unter Protest aus dem Saal, die Abstimmung über ein Leitungsgremium für die weitere Arbeit wurde abgesetzt. Dabei hatte das Projekt durchaus vielversprechend begonnen. Von einer Vernetzung zwischen außerparlamentarischen Friedensbewegten und der Minderheit kriegskritischer grüner Abgeordneter hätten beide Seiten profitiert. Nach Dortmund will sich keiner der Abgeordneten mehr an exponierter Stelle beteiligen. Auch wenn dieses Ergebnis vielleicht nicht von allen beabsichtigt war, kann sich die Mehrheit der Dortmunder Teilnehmer der Verantwortung dafür nicht entziehen. Sie haben nicht ein Netzwerk geknüpft, sondern das Tischtuch zerschnitten.

Frei von Schuld am Scheitern des Projekts sind allerdings auch die Abgeordneten nicht. So ist es ironisch, daß ausgerechnet sie als Politprofis an ihrem Idealismus scheiterten. Beseelt vom Vertrauen in die Kraft des Arguments, hatten sie darauf verzichtet, im Vorfeld Mehrheiten für ihre Position zu organisieren. Statt machtpolitisch auf Sieg zu setzen, überließen sie sich den Aufwallungen der Basisdemokratie. Nach der Niederlage war die Reue groß. Vielleicht war ich nicht Schwein genug, räsonierte einer der Abgeordneten. Wie wahr. Patrik Schwarz

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