: Das „Kronjuwel“ des Kosovo
■ Die Region gilt als Armenhaus von Ex-Jugoslawien. Aber sie birgt mit der Trepca-Mine auch die größten Rohstoffvorkommen auf dem Balkan. Darum gibt es Streit, nicht erst seit Kriegsende
Kosovska Mitrovica (taz) – Im nördlichen Viertel der Stadt Kosovska Mitrovica haben sich ein paar tausend Serben verschanzt. Bullige Jugendliche verteidigen an der Brücke zum albanischen Süden der Stadt eine der letzten serbischen Enklaven im Kosovo. Was anmutet wie die Fortsetzung des „ethnischen Kriegs“, hat hier, nur wenige Kilometer von der Grenze Serbiens entfernt, auch einen handfesten wirtschaftlichen Hintergrund: die Kontrolle über die Trepca-Mine.
Blei, Zink, Silber, Gold und Mineralien werden im Bergbaukomplex Trepca, einem Städtchen bei Mitrovica, aus hunderten Meter Tiefe gefördert. Der Volksmund nennt die Mine das „Kronjuwel“ des Kosovo, denn hier liegen die meisten Bodenschätze auf dem Balkan. RMHK Trepca – so heißt der industrielle Komplex offiziell – umfasst neben der Mine 17 metallverarbeitende Betriebe, ein Kraftwerk und die größte Batteriefabrik des ehemaligen Jugoslawien. Das Unternehmen, dessen Wert vom serbischen Wochenmagazin Nin auf fünf Milliarden Dollar geschätzt wird, gilt als die größte Exportfirma Jugoslawiens.
Doch seit Beginn der Nato-Luftangriffe steht die Produktion still. Am Werkstor der Mine in einem dicht bewaldeten Tal halten KFOR-Soldaten mit umhängenden Gewehren Wache. Vor den verlassenen Backsteingebäuden parkt ein bedrohlich wirkender Panzer. Wann die Mine wieder produzieren wird, ist ungeklärt. Martin Garrod, der für Kosovska Mitrovica zuständige Verwalter der UN-Mission im Kosovo (Unmik), erklärte zwar kürzlich, er hoffe auf eine baldige Wiederaufnahme der Arbeit, aber Trepca sei ein „sehr, sehr sensibles Thema“. Damit hat er das Problem treffend beschrieben, denn erst muss entschieden werden, wem Trepca überhaupt gehört. Und das ist höchst umstritten.
„Die Mine gehört uns“, erklärt Bajram Mustafi, Vorstandsmitglied der kosovo-albanischen Bergarbeitergewerkschaft. „Die Serben haben uns Trepca 1990 weggenommen, jetzt wollen wir die Mine wiederhaben“, sagt er im kleinen Büro seiner Organisation am Marktplatz von Mitrovica. Bereits mehrmals haben die ehemaligen Arbeiter in den letzten Wochen vor den Werkstoren demonstriert, unterstützt von der vor knapp zehn Jahren ebenfalls entlassenen albanischen Geschäftsleitung. Doch die KFOR lässt sie das Werksgelände nicht betreten. Die Protestmärsche enden regelmäßig vor dem Panzer am Stahltor.
Die jugoslawische Regierung dagegen besteht darauf, RMHK-Trepca unter eigener Regie weiterzuführen. Kosovo gehöre schließlich auch nach dem Einmarsch der KFOR noch immer zu Jugoslawien. Staatsbesitz im Kosovo bleibe folglich unter der Kontrolle Belgrads, lauten die Argumente. Außerdem bewerben sich zwei westliche Firmen um die Übernahme der Mine. Wie die Zeitung Koha Ditore berichtete, handelt es sich dabei um die schwedische Bolidair-Contech, die sich auf Unterstützung der US-Regierung beruft, und die französische Société Commercial de Paris Mateux et Minérales, die über gute Beziehungen nach Belgrad verfügen soll.
Mit dem Streit um Trepca bricht ein Konflikt wieder auf, der bereits vor zehn Jahren von großer symbolischer Bedeutung war. Als damals Slobodan Miloševic' nationalistische Kampagne die Gemüter im Kosovo erregte, traten die 23.000 mehrheitlich albanischen Bergarbeiter von Trepca in den Streik. Mit Tito-Bildern und jugoslawischen Flaggen demonstrierten sie gegen die drohende Aufhebung des Autonomiestatuts. 1.300 Bergarbeiter begannen tausend Meter unter der Erde einen Hungerstreik. „Der Protest wurde zum Kristallisationspunkt des Widerstands der Kosovo-Albaner gegen den serbischen Nationalismus“, berichtet Bajram Mustafi. „Wir glaubten noch an Jugoslawien“, fügt er hinzu. Davon kann heute keine Rede mehr sein.
Den ersten Streik 1989 konnte Miloševic durch Beschwichtigungen abwiegeln. Als das Autonomiestatut ein Jahr später dann tatsächlich aufgehoben wurde, besetzte serbische Spezialpolizei die Mine, um weitere Proteste zu ersticken. Fast alle albanischen Bergarbeiter und die Geschäftsleitung wurden entlassen. „Viele von uns wurden ins Gefängnis gesperrt“, erinnert sich Bajram Mustafi.
Die Belgrader Führung setzte ein neues Management ein, das Arbeiter aus Polen, Tschechien, Bosnien und Serbien anheuerte. Vor dem Krieg im Frühjahr arbeiteten wieder 15.000 Beschäftigte für RMHK-Trepca, darunter kaum Albaner. Insbesondere nach Verhängung der UN-Sanktionen wuchs die Bedeutung von Trepca für Jugoslawiens Volkswirtschaft.
Und nicht nur für diese: Vieles deutet darauf hin, dass die jugoslawische Staatsführung am Trepca-Schatz selbst kräftig mitverdient. Das berichtete die italienische Zeitung Corriere Economica in ihrer Ausgabe vom 24. April dieses Jahres. Bei Geschäften mit dem griechischen Großindustriellen Evangelos Mytilinaios, die den Verkauf von Trepca-Erzen im Ausland zum Gegenstand haben, soll der Miloševic-Clan in die eigene Tasche gewirtschaftet haben.
Hinter den Kulissen wird mit dem Ringen um Trepca auch ein Kampf um die Zukunft des Kosovo geführt. Ein unabhängiges Kosovo hätte ein industrielles Rückgrat bitter nötig, will es nicht auf Dauer am Tropf internationaler Geldgeber hängen. Und für Jugoslawien steht die wichtigste Devisenquelle und ein bedeutender Rohstofflieferant auf dem Spiel.
Unlängst gab Unmik-Sprecherin Daniela Rozgonovain in Priština bekannt, dass das Trepca-Problem „eine der Fragen“ sei, „die innerhalb der Unmik diskutiert und verhandelt“ würden. Sie fügte hinzu: „In kurzer Zeit werden wir mehr dazu sagen.“ Wie die Entscheidung auch immer ausfällt, es wird die Spannungen an der Brücke in Mitrovica noch einmal anheizen. Boris Kranzleiter
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