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Das Krisenglossar Teil 9Staatsanleihen

Staaten verkaufen Anleihen, weil sie Geld brauchen. Trauen ihnen Anleger nicht mehr, wird es schnell teuer. Die taz stellt die wichtigsten Vokabeln der Finanzkrise vor.

Als Kriege noch teurer waren, sollten Bürger Kriegsanleihen kaufen Bild: Imago/United Archives

Staatsanleihen kann man sich wie ganz normale Schuldscheine vorstellen. Frau Müller gibt einem Staat Geld und er gibt ihr dafür das Versprechen, das Geld zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückzuzahlen – zuzüglich Zinsen.

Wie lange Frau Müller dem Staat ihr Geld leiht und wie viel Zinsen sie dafür bekommt, kann ganz unterschiedlich sein. Leiht sie dem Staat ihr Geld nur ein halbes Jahr lang, bekommt sie relativ wenig Zinsen. Leiht sie ihm das Geld gleich für zwanzig Jahre, bekommt sie normalerweise einen höheren Zuschlag, weil sie so lange auf ihr Geld verzichtet und damit ja auch ein höheres Risiko eingeht. Auch wenn ein Staat als schlechter Schuldner gilt, zum Beispiel weil er wie Argentinien schon mal die Zahlungen an seine Gläubiger einstellte, bekommt sie für dessen Anleihen höhere Zinsen als etwa für Anleihen der Bundesrepublik.

Heutzutage sind es aber weniger die normalen Bürger wie Frau Müller, die in Staatsanleihen investieren, sondern meistens Institutionen wie Banken, Pensionsfonds und Versicherungsgesellschaften. Diese schätzen an Staatsanleihen vor allem, dass sie als sehr sichere Form der Anlage gelten – oder zumindest bis zum Ausbruch der Eurokrise galten.

Immerhin können Staaten bei schlechter Haushaltslage etwas tun, was Unternehmen, die knapp bei Kasse sind, nicht können: Menschen dazu zwingen, ihnen Einnahmen in Form von Steuern zu verschaffen. Weil bei Staatsanleihen die Wahrscheinlichkeit daher, jedenfalls im Prinzip, groß ist, dass man sein Geld am Stichtag tatsächlich zurückbekommt, sind diese vor allem dann begehrt, wenn die Lage auf den restlichen Finanzmärkten unsicher ist.

Dass Staaten über Anleihen an Geld kommen, ist erst einmal nicht dramatisch. Das machen sie schon seit Jahrhunderten. Schließlich ist Geld, das in die Infrastruktur oder Bildung investiert wird, nützlicher als Geld, das im Keller liegt. Problematisch wird die Sache nur, wenn ein Staat bis über beide Ohren verschuldet ist und ihm die Anleger nicht mehr zutrauen, das geliehene Geld zurückzahlen zu können.

Ein höheres Risiko gehen Investoren nämlich nur dann ein, wenn auch der zu erwartende Gewinn höher ist. Wenn also die Kreditwürdigkeit eines Landes sinkt, steigen die Zinsen, die es für seine Anleihen zahlen muss.

Dieser Mechanismus wird stark beeinflusst vom Urteil der drei großen Ratingagenturen Standard & Poors, Moody's und Fitch. Ihr Job ist es, die Kreditwürdigkeit von Schuldnern einzustufen und an ihrem Urteil orientieren sich die meisten Akteure auf dem Finanzmarkt.

Sagen die Ratingagenturen: 'Dieser Staat kann seine Schulden vielleicht nicht mehr zurückzahlen', schießen die Zinsen, die dieser Staat auf seine Anleihen zahlen muss, sehr schnell in die Höhe. Das kann dazu führen, dass der Staat die Zinszahlungen nicht mehr aus seinen laufenden Einnahmen begleichen kann. Dann ist er zahlungsfähig, also pleite. Die Käufer der Anleihen, darunter viele Banken, schauen in die Röhre. Schlimmstenfalls bringen die so entstehenden Verluste auch die Banken ins Wackeln.

Um das zu verhindern, wurde unter anderem der Eurorettungsschirm beschlossen. Damit sagt Europa den Akteuren der Finanzmärkte: 'Nicht gleich panisch werden. Falls Staat X euch nicht auszahlen kann, zahlen wir'.

Die beschlossenen Maßnahmen konnten die Anleger bisher aber nur teilweise beruhigen, weil der Rettungsschirm zu klein ist für große Krisenstaaten wie Italien. Schnell stiegen die Zinsen für Staatsanleihen der Schuldenstaaten wieder nach oben. Kritiker sagen außerdem, Kreditgarantien könnten im Staat X zu folgendem Denkschema führen: 'Nicht gleich sparen. Wenn wir nicht zahlen können, zahlen es eben die anderen'.

Seit Längerem wird mit dem Schlagwort Eurobonds auch über die Option gesamteuropäischer Anleihen diskutiert. Also dass Frau Müller ihr Geld nicht mehr einem einzelnen Euroland leiht, sondern allen zusammen. Dann würde es keine Rolle mehr spielen, dass Griechenland knapp bei Kasse ist, weil ja auch reiche Länder wie Deutschland für die Schulden einstünden.

Damit hat die Bundesregierung allerdings ein Problem. Da deutsche Anleihen als sehr sicher gelten, zahlt das Land weniger Zinsen auf seine Staatsanleihen als es das bei Eurobonds tun müsste, an denen ja auch Länder wie Griechenland beteiligt wären.

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8 Kommentare

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  • RD
    Richter Di

    Mischung zwischen Maus und Wikipedia - wunderbar ..

     

    Die andere Seite der globalen Bilanz: Schulden = Vermögen sowie die Geldschöpfung der Geschäftsbanken zu erklären wäre noch eine Aufgabe.

  • SS
    Svetozar Schnuckelberger

    Zinszahlungen aus laufenden Einnahmen bedienen können die wenigstens Staaten (Primärdefizit) - sie bedienen auch einen Teil der Zinszahlungen aus neuen Krediten (klassisches Ponzi-Scheme). "Pleite" sind sie deswegen aber noch lange nicht, sondern erst, wenn ihnen niemand mehr neues Geld leiht.

  • M
    Momo

    Im Text steht ganz lapidar:

     

    "Dass Staaten über Anleihen an Geld kommen, ist erst einmal nicht dramatisch."

     

    Hätte der Autor Marx gelesen, wüsste er, dass hier eine der Grundbedingungen des kapitalistischen Systems versteckt ist, das Staatsschuldensystem.

     

    Marx: "Das System des öffentlichen Kredits, d.h. der Staatsschulden, dessen Ursprünge wir in Genua und Venedig schon im Mittelalter entdecken, nahm Besitz von ganz Europa während der Manufakturperiode." (Kapital Band 1, Seite 782)

     

    Er schreibt außerdem: "Der einzige Teil des sogenannten Nationalreichtums, der wirklich in den Gesamtbesitz der modernen Völker eingeht, ist - ihre Staatsschuld. Daher ganz konsequent die moderne Doktrin, daß ein Volk um so reicher wird, je tiefer es sich verschuldet. Der öffentliche Kredit wird zum Credo des Kapitals. Und mit dem Entstehen der Staatsverschuldung tritt an die Stelle der Sünde gegen den heiligen Geist, für die keine Verzeihung ist, der Treubruch an der Staatsschuld." (ebd.)

     

    Doch nun kommt Marx zu des Pudels Kern. Noch auf der gleichen Seite behauptet er:

     

    "Die öffentliche Schuld wird einer der energischsten Hebel der ursprünglichen Akkumulation. Wie mit dem Schlag der Wünschelrute begabt sie das unproduktive Geld mit Zeugungskraft und verwandelt es so in Kapital, ohne daß es dazu nötig hätte, sich der von industrieller und selbst wucherischer Anlage unzertrennlichen Mühwaltung und Gefahr auszusetzen." (ebd., siehe auch http://www.mlwerke.de/me/me23/me23_741.htm, Seite 782)

     

    Dahinter steckt also eine ganze Menge. Die ursprüngliche Akkumulation reichte den Staaten nicht aus und sie gestatteten Banken, ihnen Geld zu verleihen. Das Kreditunwesen begann sich auszubreiten. Damit haben die Staaten zugleich den Grundstein für die heutigen Börsengeschäfte geschaffen.

     

    Hinzu kamen im 19. Jahrhundert sog. Ratingagenturen im Zusammenhang mit dem Bau von Eisenbahnstrecken in Nordamerika. Auch hier wieder das gleiche Muster: die Staaten machten die Ratingagenturen zu den mächtigen Spielern, die sie heute sind, unter anderem durch die Beschlüsse von 1934. Seit den 70er Jahren entstand durch die Reduzierung der Rating-Agenturen auf 7 und nachfolgende Fusionen ein Oligopol aus den drei großen Agenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch, die zusammen 97 % des Marktes abdecken. Aber warum sind die Rating-Agenturen überhaupt so wichtig? Die Rosa Luxemburg Stiftung schreibt dazu:

     

    "Wie alle Zentralbanken, so reguliert auch die EZB die Geldmenge u.a. durch den Leitzins, d.h. dem Zinssatz, zu dem Geschäftsbanken Geld bei der Bank der Banken leihen können. Geld bekommen sie allerdings nur, wenn sie im Gegenzug Wertpapiere hinterlegen. 2007 verfügte die EZB, dass sie bei diesen Offenmarktgeschäften mit den Geschäftsbanken nur Wertpapiere als Sicherheit akzeptiert, die zuvor von den Rating-Agenturen mit Bestnoten bewertet wurden."

     

    (Rosa Luxemburg Stiftung, Standpunkte 26, http://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Standpunkte/Standpunkte_26-2011.pdf)

     

    Das heißt die faulen Kredite der Banken von evtl. zahlungsunfähigen Ländern wie Griechenland bedrohen das Eigenkapital der Banken, das sie benötigen, um sich bei der "Bank der Banken", in Europa der EZB, Geld zu leihen.

  • P
    paulyy

    was mir fehlt, ist eine erklärung und auseinandersetzung richtung anleihemarkts der gläubiger untereinander. weil dort (wie ja auch am minütlichen handel mit aktien und co) geht es doch viel zu sehr um kurzfrist-stimmungen und spekulation, als dass träge systeme wie staaten darauf ausreichend einfluss hätten.

  • H
    hannowi

    Klasse Beschreibung - perfekte Mischung zwischen "Maus" und "Wikipedia".

    Ein kleiner Fehler ist Ihnen aber unterlaufen: In der Mitte des Textes heißt es über einen Staat, der nicht zurückzahlen kann:

    "Dann ist er zahlungsfähig, also pleite." Manche Staaten würden es vielleicht so unterzeichnen, aber gemeint haben Sie wahrscheinlich: "dann ist er zahlungs-un-fähig, also pleite" Oder hab' ich's falsch verstanden?

    Einen schönen Tag!

    hwb

  • EW
    Erik Weber

    Der Schlußsatz fehlt:

     

    Eurobonds = 'wozu sparen & rückzahlen, das tun die anderen',

     

    EFSF (ein Privatunternehmen, man spricht Englisch, Hauptsache Berlin zahlt, haha) = 'wozu sparen & rückzahlen, das tun die anderen', und:

     

    ESM = 'wozu sparen & rückzahlen, das tun die anderen'.

  • MZ
    M. Zinke

    Hey taz,

     

    großes Kompliment!

     

    Finde sehr gut, dass Ihr der Leserschaft mal verdeutlicht, wie die Zusammenhänge sind, bei denen jeder meint mitreden zu könnent.

    Leider sind solche Erklärungen ja in den roten Lehrerzimmern verpönt und daher absolutes Neuland für viele Leser.

     

    Zudem toll, dass die Ausführungen/Erklärung tatsächlich neutral und sachlich gehalten sind.

  • G
    guntherkummmerlande

    Es wird Zeit die EU-Währungsunion aufzulösen,

    die Schuldenstände einzufrieren und die

    überfälligen Staaten in die Pleite rauschen zu

    lassen mit einer unangenehmen Übergangszeit

    durch Inflation und einen Neubeginn.

     

    Der Investmentbankingsektor läßt sich offenbar

    anders nicht zurückfahren.

    Hedgefonds und Leerverkäuferpraktiken

    lassen sich anders offenbar nicht

    abschaffen.

     

    Die gewaltigen EU-Mittel wurden nur für Projekte

    mit noch mehr Folgekosten ausgegeben, aber

    nicht für die wirtschaftlich komplementäre

    Entwicklung von Nischenbranchen in den

    Hochschuldenländern.

    Und sicherlich wurde auch enorm viel Geld veruntreut

    (insgesamt weit mehr als 130 Mrd/Jahr * 10 Jahre).

     

    Anstatt wie bereits seit Ewigkeiten von mir

    verlangt, die Staaten einzeln und nicht

    gleichzeitig aus der EU-Währungsunion

    zu suspendieren, die Schulden teilweise wegzuinflationieren, Lieferverträge (für Ökostrom

    und Biosprit) und Dienstleistungsverträge

    (für Altenversorgung, Harz4 und Arme-Leute-Tourismus, deutsche Krankenhausunternehmen

    in Deutschland mit griechischen Medikamenten-

    und Versorgungsmittelabschlüssen der gesetzlichen

    Krankenkassen )

    zu schließen und damit dauerhaft Beiträge

    zu vermindern, wird die Katastrophe

    der gleichzeitige Zahlungsausfall sehr vieler

    Staaten provoziert.

    Dieser gleichzeitige Ausfall der Zahlungsfähigkeit

    macht die Lage gerade brenzlig!!!!!

    Ein kleines Griechenland, welches sofort konsequent

    bestraft würde, wäre kein Problem.

    Aber Merkel und Schäuble haben hier absolut

    falsch und höchstgradig dumm gehandelt.

    Das Europäische Wirtschaftssystem versucht

    die Gesetze von Rentabilität, von Ursache und

    Wirkung und das Leistungsprinzip ad absurdum

    zu treiben und das kann bei KEINEN normalen

    Anleger Vertrauen bewirken!!!

    Militärisch ist eine zeitgleiche Labilisierung

    vieler Einzelstaaten die dümmste und unverantwortlichste Konfliktlösungsstrategie.

    Nach dem Motto ein Griechenland reicht nicht.

    Es muß erst halb Europa sein, das ist dann "too

    big to fail".

    Ein Griechenland, welches noch mit Lebensmittelüberschüssen, einer Reichensteuer und

    einem konsequenten Finanzministerium verbessert wird,

    wäre ein kleines Problem gewesen.

    Aber die Inkompetenz dieser EuroBonds-Idioten

    führt zur Existenzkrise für alle Staaten.

    Wie inkompetent die Politiker sind, kann man

    an dem Veto gegen die Finanzmarktsteuer erkennen.

    Es ist sinnlos mit der EU irgendeine Krise im

    Vorfeld zu entschärfen oder im Gegenteil daraus

    ein ökonomisches Gewinnmodel zu machen.

    Gerade ein nur vorübergehendes knallhartes Ausscheiden Griechenlands hätte ein Übergreifen auf

    Italien und Frankreich verhindert!

    Französiche Bankenschließungen hätten richtig

    durchgeführt für Frankreich ein Segen sein können,

    weil man den Investmentbankingsektor und

    die Schattenbankenbranche per Gesetz

    mit den griechischen Schulden belastet hätte

    und diese Branche damit in Frankreich wenigstens

    teilweise stillgelegt hätte.

    Dies hätte für das konventionelle Kreditgeschäft

    für Unternehmenskredite und Privatpersonenkredite

    sowie Mikrokredite eine hervorragende Wirkung!!!!!!!!

    Frankreich hat die Chance zum großen Reine-Machen

    zu Hause damit so gut wie verpasst und damit auch

    einen wichtigen Realwirtschaftswachstumsimpuls!!!!!

     

    Wenn das so weiter geht, ist diese Währungsunion

    ein Debakel und muß abgeschafft werden!!