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Das Jahr-2000-ProblemGlut und Sax

■ Die neuen Leiden des jungen K. oder: Werden Sie milleniumfähig / Siebtens

Alle Welt hat es. Warum sollte ich von einem Jahr-2000-Problem verschont bleiben? Gut, andere Menschen sind schlimmer dran, aber das Hemd ist einem nun mal näher als die Hose. Mein Jahr-2000-Problem heißt: Ich weiß noch nicht, wo ich Silvester 1999 feiern soll.

Es gibt Wichtigeres als die Silvester-1999-Party. Denn trotz der inflationären Warnungen vor dem Millenium-Bug („Schafft Ihr PC den Wechsel? Wir geben Ihnen 1.000 tolle Tipps“ / „Werden Sie Jahr-2000-fähig mit Fit for more!“) ist eine weitere Warnung auch an dieser Stelle unumgänglich. Die Warnung vor dem weitgehend vergessenen Phänomen des allgemeinen Heizungsausfalls Neujahr 2000.

Dahinter verbirgt sich ein Komplott. Nach Informationen unserer Verbraucherredaktion („Heben Sie vor Silvester Bargeld für zwei Wochen ab“ / „Bezahlen Sie beim Tanken danach nicht mit der EC-Karte“) ist die so genannte Liberalisierung der Märkte für Strom, Telekommunikation und Post nur ein von Kirchen und Industrie ausgehecktes Vorspiel. Der eigentliche Akt ist der allgemeine Heizungsausfall. Er wird, glaube ich, Neujahr 2000 pünktlich um 4.35 Uhr eintreten und alle Systeme betreffen. Nur wer der süßen Stimme von Biggi aus dem Call-Center beantworten kann, welche Farbe Strom hat und wie Bremens erstes privates Vollzeitradioprogramm heißt, wird es auch im neuen Jahr warm haben. Die Kirchen haben diesem skandalösen Marketing-Trick in der Hoffnung zugestimmt, dass sich die Menschen aneinanderschmiegen und anfangen, „Die Baby-Lücke“ (Spiegel-Titel vom 30. August) zu schließen.

Dagegen hilft nur eins: Beugen Sie vor. Bauen Sie sich einen Kamin (Man nehme einen Hammer, schlage ein handtellergroßes Loch in eine Wand mit Schornsteinschächten und lasse seiner Phantasie bei der Gestaltung des Kamins freien Lauf. Zur Not tut's auch die Dunstabzugshaube in der Küche). Denn nichts ist schöner als an einem offenen Feuer zu sitzen und dann zu den Geräuschen knisternden und aufregend zischenden Holzes Baby-Lücken zu schließen.

Saxophonmusik dagegen wirkt, damit das ein für alle Mal klar ist, einschläfernd! Trotzdem meinen vor allem Filmemacher noch immer, dass die englische Ausspracheübereinstimmung von Sax und Sex ein untrüglicher Beweis für die erotisierende Wirkung dieser soften Blasmusiksauce ist. Diese irren. Und meinen noch immer, am Anfang sei das Wort gewesen. Dabei war am Anfang das Feuer. Meiden Sie also Saxophonmusik und Filmemacher, damit Sie nicht, glaube ich, Neujahr 2000 pünktlich um 4.35 Uhr anfangen zu erfrieren. Doch wo gehen wir vorher feiern? Christoph Köster

Lesen Sie in der nächsten Folge, wie der Seelenfrieden Silvester 1999 zu finden ist

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