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Das Ende von „Sex and The City“Das feministische Vermächtnis von Carrie Bradshaw

Eine Ära geht zu Ende: Die letzte Folge „And Just Like That“ läuft. Damit findet das „Sex And The City“-Imperium sein Ende. Eine Verneigung

Die Schauspielerinnen Kristin Davis, Sarah Jessica Parker, Cynthia Nixon und Kim Cattrall in „Sex And The City“, 1998 Foto: Rights Managed/imago

Es gibt wahrscheinlich keine Protagonistin, die so bekannt und umstritten ist wie Carrie Bradshaw. Die meisten Menschen dürften sich selbst und ihre Fehler in ihr gespiegelt sehen und davon peinlich berührt sein.

Keine andere Serienheldin steht so sehr für das „Auf-der-Suche-sein-und-nicht-wissen-wann-ob-und-wie-man-ankommen-wird“-Gefühl wie Carrie Bradshaw. Als Zuschauende sind wir es oft gewohnt, Hel­d:in­nen zu sehen, die genau wissen, was sie wollen, und dabei eben heroisch sind. Carrie bricht mit diesem Muster und handelt oft widersprüchlich. Sie trifft Entscheidungen, die im ersten Moment nicht immer nachvollziehbar sind.

Oft genug entpuppen sich diese Entscheidungen auch als Fehler. Damit wird sie so lebendig und man kann als Zuschauerin kaum glauben, dass sie keine echte Person ist. Mit diesen Entscheidungen muss sie dann klarkommen und aus ihnen lernen. Dieser sehr chaotische, anstrengende, in Teilen nervige und cringe Aspekt des Lebens wird in anderen Serien oft glattgebügelt oder gar nicht dargestellt.

Michael Patrick King, der ab 1999 als Regisseur den Ton der Serie maßgeblich bestimmte, antwortete auf die Frage, wieso er Carrie so liebt, mit den Worten: „Sie folgt immer ihrem Herzen auch, wenn es nicht konventionell ist, denn egal, was die Gesellschaft denkt, was wichtig für eine Frau wäre, hört sie lieber auf ihr Bauchgefühl.“

Hadern mit der Hochzeit

So löst sie ihre Verlobung mit Aiden auf, weil sie ihn nicht heiraten will, wenn sie nicht bereit für die Ehe ist. In ihrer Kolumne fragt sie sich in der Folge, wieso unsere Gesellschaft so progressiv tut und dann dennoch Druck auf Frauen ausübt, zu heiraten, Kinder zu kriegen und ein Haus zu besitzen. Auf diese Frage sind wir als Gesellschaft Carrie bis heute eine Antwort schuldig.

Ein weiteres Beispiel: „A Woman’s Right to Shoes“. Der Titel dieser Folge ist eine Anspielung auf den Beschluss des Supreme Court im historischen Fall Roe v. Wade, der 1973 beschloss, dass Frauen das Recht haben, selbst zu entscheiden, ob sie eine Schwangerschaft austragen möchten oder nicht. In der Folge klaut jemand Carries teure Schuhe auf der Party ihrer Freundin Kyra. Diese weigert sich, für die Schuhe aufzukommen, mit der Begründung, im Gegensatz zu Carrie habe sie ein echtes Leben und daher Verantwortung. Carrie, sichtlich bedrückt, spricht allen Single-Frauen aus der Seele, als sie leise antwortet: „Ich habe ein echtes Leben.“

Was sich an den teuren Schuhen entzündet, ist die Frage, warum der Lebensentwurf von Kyra – 38 und verheiratet, drei Kinder und ein Ferienhaus – viel mehr Validierung und Wert bekommt als der von Carrie, die ebenfalls 38 ist, in einer kleinen Mietwohnung lebt, eine Kolumne über Sex schreibt, noch nie verheiratet war, kinderlos ist und ihr Geld für teure Schuhe ausgibt, was auch ihr gutes Recht ist.

Oft wird Carrie falsch verstanden als die Protagonistin einer Serie, in der vier Frauen nur über Männer reden und zu viel Geld für Sinnloses wie Mode und Schuhe ausgeben. Nur wenn man die Serie durch eine patriarchale Linse betrachtet, kann man zu diesem Trugschluss kommen. Der Grund, warum die meisten Menschen die Serie schauen, ist, weil sie eine der wenigen ist, die weibliche Gespräche ins Zentrum rückt. Dabei bleiben sie realistisch und sind auch manchmal zynisch – die perfekte Anti-Romcom für Frauen.

Und wer wäre passender für eine in Teilen zynische Anti-Romcom für Frauen als eine Protagonistin, die in ihrer Küche nicht kocht, sondern darin Kleidung aufbewahrt. Die, statt wie Cinderella darauf zu warten, dass ein Prinz ihr einen Schuh schenkt, sich selbst Hunderte Paare Schuhe kauft. Die sich nicht für den männlichen Blick, sondern für ihre Hingabe zu Mode anzieht, auch wenn es vielleicht zu exzentrisch wirkt. Kurz gesagt: Carrie als Anti-Prinzessin und Anti-Hausfrau ist der perfekte Bruch mit patriarchaler Weiblichkeit, die wir sonst oft in Medien sehen.

Die vier Hauptcharaktere in „Sex and The City“ haben komplett gegensätzliche Lebensentwürfe und keiner ist besser oder schlechter als der andere. Wenn die Serie eines schafft, dann ist es zu zeigen, dass jedes Frauenleben einen Wert hat und es verdient, gefeiert zu werden. Carrie und die Serie sind der Beweis dafür, dass all dieser Lebensentwürfe nebeneinander existieren können. Und dass diese unterschiedlichen Frauen sogar zu engsten Freundinnen werden können.

Danke dir dafür, liebste Carrie!

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