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Das Diktat der Generäle

Die Geiselnahme befördert den Misserfolg Putins ans Tageslicht: Mit der Empfehlung der eisernen Hand angetreten, muss der Präsident erkennen, dass Militär und Sicherheitsorgane mehr Macht haben, als ihm lieb ist

BERLIN taz ■ Sicherheit und Stabilität versprach Wladimir Putin vor den Präsidentschaftswahlen vor zweieinhalb Jahren den Russen. Entschlossenheit bewies er, indem er Russlands Armee und Sicherheitsorgane in den Kaukasus schickte, um den Hort der Bedrohung, Tschetschenien, ein für allemal zu befrieden. Das Vorhaben schlug fehl. Moskaus antiterroristische Verfassungshüter haben aus einem Schwel- einen lodernden Flächenbrand gemacht.

Nicht erst die Geiselnahme führte den Misserfolg in aller Deutlichkeit vor Augen, sondern die täglichen Opfer auf beiden Seiten. Zweieinhalb Jahre nach Amtsantritt steht der russische Praesident, der sich den nach Ordnung sehnenden Russen als Eiserne Hand empfahl, vor einem Wendepunkt, ohne eine Wendemöglichkeit. Selbst wenn Putin bereit wäre, mit Vertretern der tschetschenischen Rebellen und dem vertriebenen tschetschenischen Präsidenten Aslan Maschadow Verhandlungen aufzunehmen, wären ihm die Hände gebunden.

Putin ist nicht der starke Mann, als den ihn seine Entourage darstellt. Noch immer verfügt er über keine eigene Hausmacht. Es sind die Militärs, der Generalstab und die Sicherheitsorgane, die dem Kremlchef diktieren, wo es langgeht und wo er nicht mehr gefragt ist. Bereits im Sommer intervenierte das Militär in letzter Minute und brachte einen Gesetzenentwurf zum Wehrersatzdienst zu fall. Er galt als ein Prüfstein der Kooperation zwischen der in Russland besonders gesellschaftsfernen Exekutive und Vertretern von Menschenrechtsgruppen. Die Militärs aber sprachen ein Machtwort, Putin erhob keine Widerrede.

Die Militärs hatten schon eine Kröte schlucken müssen, die Annäherung an den Westen und engere Vernetzung mit der Nato. Zu mehr Konzessionen waren die Generäle nicht bereit. Alle Reformen, die darauf abzielten die Sicherheitsapparate zu reformieren und effizienter zu machen, schlugen auch unter Wladimir Putin fehl.

Von der großmundig angekündigten Armeereform ist schon lange keine Rede mehr. Unterdessen bevölkern zigtausende Polizisten Moskaus Straßen und kontrollieren Bürger, die wegen ihres dunkleren Teints auf den ersten Blick als Nichtslawen erkennbar sind. Die Omnipräsenz der Ordnungshüter hat die Terroreinheiten nicht einmal im Herzen der Hauptstadt aufhalten koennen. Das liegt nicht nur an schlechter Ausbildung, sondern an Korruption und der häufigen Personalunion zwischen Gangstern und Ordnungshütern.

Der letzte Bericht Transparency Internationals, einer Organisation der weltweiten Korruptionsbeobachtung, belegt, dass unter Putin in fast allen staatlichen Strukturen die Anfälligkeit für Bestechungen noch gewachsen ist. 70 Prozent aller Vorfälle werden bei der Verkehrspolizei auf nichtlegalem Wege gelöst. Auch die Zahl der Kapitalverbrechen mit tödlichem Ausgang ist rasant gestiegen.

Ein Grund: Unter der Herrschaft des ehemaligen Geheimdienstchefs Putin hat Willkür zugenommen, denn der korporatistische Geist schützt Politiker und Beamten vor Strafverfolgung. Wer sich dagegen wehrt, läuft Gefahr, als Nestbeschmutzer eines wiedererstarkenden Russlands denunziert zu werden. Nicht ausgeschlossen, dass Russland demnächst Publikumsliebling Putin etwas nüchterner betrachtet. KLAUS-HELGE DONATH

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