■ Das Diepgen des Tages: Telefon-6 mit Hertha
Schön, dass es Ticket-Hotlines gibt. Bei Alba Berlin etwa, einem modernen und intelligent geführten Verein, ruft man an, sagt seine Wünsche sowie die Kontonummer – das Ticket wird zur Abendkasse gelegt, der Kaufpreis vom Konto abgebucht, fertig.
Beim anderen modernen und intelligent geführten Sportverein der Stadt geht „Ticket-Hotline“ so: Erster Anruf, Montag, 10 Uhr. Eine holprig hochdeutsch leiernde berlinische Stimme vom Band sagt, die Hotline sei „Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr erreichbar“, man danke sehr für den Anruf und knacks und Schluss. Sicher nur ein kleiner Irrtum, sage ich mir und rufe am Dienstag wieder an. Immerhin, ein anderer Text: Zur Zeit würden Karten für das Heimspiel gegen Werder Bremen verkauft, spricht der automatisch Leiernde. Das Spiel fand bereits drei Tage zuvor statt – ich muss das wissen, ich war im Stadion. Nicht sehr hot, diese line.
Erbost verfasse ich ein Fax an Hertha, frage, wo ich Karten für die Champions-League-Spiele kaufen kann und ob es eventuell jetzt noch möglich sei, eine Dauerkarte zu erwerben. Deren Besitz erleichtert bekanntlich den Kauf von Champions-League-Tickets. Auch dass ich mich von der Hotline ein wenig veralbert fühle, erwähne ich. Keine Antwort. Ich rufe bei der Geschäftsstelle an. Dort verteilt ein rätselhaftes Computersystem die Anrufer. Wieder spricht ein Automat: Mit meiner „Stümme“ könne ich wählen, z.B. für Neuigkeiten über Hertha BSC sowie Infos über Fanartikel „wählen Sie bitte 2“; für Spieltermine die 4, „wenn Sie zum Empfang unserer Geschäftsstelle verbunden werden wollen, wählen Sie bitte 6“! Vor Freude über diese überraschende Perspektive bin ich so konfus, dass ich die Taste sechs auf meinem Telefon drücke. Falsch. Knacks. Ende. Nächster Versuch. Dieses Mal sage ich laut und überdeutlich „sechs“. Hirnverbrannt antwortet der Automat: „Leider haben Sie keine Zahl genannt.“
Die Ticket-Hotline, so hatte mir der gleiche Automat vorher weismachen wollen, sei von 9 bis 17 Uhr erreichbar – während ich doch längst wusste, dass die Hotline zwar keineswegs „erreichbar“ ist, sondern dort auch nur ein dümmliches Band plappert – das aber von 8 bis 18 und durchaus nicht von 9 bis 17 Uhr!
Ich bin ganz ruhig, sage ich mir, ganz ruhig. Also einmal noch: „Sechs!“ Knacks. „Nur nach Hause, nur nach Hause, nur nach Hause gehen wir nicht“, singt grässlich Frank Zander, den ich schon im Stadion nicht ertrage. Immerhin, denke ich – jetzt wird gleich eine Stimme sagen, man bitte mich um etwas Geduld, und dann werde man mich ... – nichts. Nur Frank Zander. Minutenlang. Kommentarlos. Was tun? Geiselnahme? Blutbad? Gefrorene Hundekacke mit der Post schicken? Nichts da – zivilisiert bleiben, Donnerstag früh mit dem Motorroller hinbrausen und persönlich vorsprechen. In der Geschäftsstelle gehts dann ganz einfach: Nein, Dauerkarten würden schon seit zwei Wochen nicht mehr verkauft, ab Sonnabend könne ich aber auch ohne Dauerkarte ein Ticket kaufen, bei den offiziellen Online-Agenturen (was immer das sein mag) und, Sie werdens nicht glauben, bei der Ticket-Hotline! Die aber wird heute dauerbesetzt sein, was bedeutet, dass ich beim Warten stundenlang mit Frank Zander gefoltert werde.
Ich werde mir das Spiel nun im Fernsehen ansehen. Und hoffe, dass sich die Spieler nicht so grenzenlos dämlich anstellen wie die Ticket-Verkäufer dieses Vereins. Molly Bluhm
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