: Das Buch in China
Die ersten Bücher, die die gleich nach der Revolution gegründeten Volksverlage Chinas auf den Markt brachten, waren Anleitungen zur Bodenreform der Kommunistischen Partei. Es folgten Publikationen zum Umgang mit Großgrundbesitzern, zur Ehereform und zur Optimierung der Schweinezucht. Das ist lange her. Selbst jüngere Chinesen aber können sich noch gut daran erinnern, dass ihre ersten Bücher auf übel riechendem gelblichem Papier gedruckt waren, in denen sie drei Viertel der Schriftzeichen erraten mussten.
Heute erfüllen chinesische Bücher alle Standards. Bildbände, Enzyklopädien, Bilderbücher sind wirklich farbig. Auch die Themen haben mit denen der Fünfzigerjahre nicht mehr viel gemein. Die Gedanken Deng Xiaopings werden nur noch gezwungenermaßen aufgelegt – und fast komplett von Staatsbetrieben als mehr oder minder wohl gemeinte Geschenke an Mitarbeiter aufgekauft. Die wahren Bestseller sind Millionärsbiografien und Ratgeber zu den wahrhaft bedeutenden Fragen des Lebens: Wie werde ich schön und reich? Wie erziehe ich mein Kind richtig?
565 Verlage gibt es in China, sie alle sind staatlich. Im Jahr 2000 haben sie – nach eigenen, stets mit Vorsicht zu genießenden Angaben – 117.597 Titel in einer Auflage von mehr als sieben Milliarden Exemplaren produziert und einen Umsatz von 24,5 Milliarden Yuan (drei Milliarden Euro) verkauft: ein leichter Rückgang im Verhältnis zum Vorjahr. Nach einer sprunghaften Expansion Anfang der Neunzigerjahre werden vor allem Neugründungen von Zeitschriften und Magazinen von staatlicher Seite augenblicklich gezielt unterbunden.
Was auch immer in China verlegt wird, muss zwei Stufen der Zensur passiert haben, eine auf provinzieller und eine auf nationaler Ebene. Mindestens so wirksam aber ist die Selbstzensur der Verlagsangestellten. Denn Bücher zweifelhaften Inhalts (seien es Nacktdarstellungen, unorthodoxe Darstellungen der Geschichte der Volksarmee oder Werke, die die Zugehörigkeit Tibets und Taiwans zum Mutterland diskutieren) auch nur vorzuschlagen, kann mafan, Ärger, einbringen. Dennoch geschieht es, dass die Behörden erst nachträglich feststellen, wie ungenehm ihnen eine Veröffentlichung ist. Die Bücher werden vom Markt genommen oder in spektakulären Abschreckungsaktionen zerstört.
Über den politischen Druck hinaus machen sich auch die Zwänge der Marktwirtschaft immer deutlicher bemerkbar. Die Verlage sind inzwischen wirtschaftlich eigenverantwortlich. Bücher, die keinen sicheren Profit bringen, fallen so unter die Zensur des Marktes. Und nicht selten kommt es vor, dass etwa so genannte Kunstbuchverlage nur mehr Werkbände gut betuchter Künstler herausgeben, die für ihre Verewigung zu bezahlen bereit sind.
Private Verleger sind offiziell bislang nicht gestattet. Dennoch existieren sie in Form von Kulturfirmen oder Agenten. Diese kaufen sich vom Verlag eine der heiß begehrten ISBN-(Buchlizenz-)Nummern für ein von ihnen produziertes Buch und vertreiben es meist auch selbst. Auch das Vertriebswesen hat massive Veränderungen erfahren. Noch immer geht zwar das Gros der Bücher durch die Hände der staatlichen Vertriebsverwaltung Xinhua, aber das Monopol hält sie nicht mehr. An Bedeutung gewinnt hingegen das Online Shopping. Gerade der Buchmarkt verspricht sich davon einiges, denn das Profil des typischen chinesischen Internetusers fällt mit dem des Buchkonsumenten zusammen: jung, gebildet, gutes Einkommen. DIANA ZIMMERMANN
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