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Darts-WM in LondonProfessionalisierung mit Schuss

Der ehemalige Kneipensport Darts ist endgültig auf dem Weg zum High-End-Präzisionssport. Er hat eine große Wachstumsperspektive.

Erste trans Frau in der Szene: Dartspielerin Noa-Lynn van Leuven aus den Niederlanden Foto: Shane Healey/ProSportsImages/dpa

Die Darts-WM öffnet sich und wird sich weiter öffnen. Diesmal sind sechs Deutsche am Start, Rekord. Dazu zwei Frauen, so wie in den Vorjahren. Die „Queen of Ally“, Fallon Sherrock, ist auch wieder dabei – im Gegensatz zur Weltranglistenersten und dreifachen Weltmeisterin Beau Greaves, die wegen der Unvereinbarkeit zweier konkurrierender Verbände, PDC und WDF, ihre Teilnahme absagte.

Den zweiten Startplatz für Frauen bei der WM, die an diesem Sonntag im Londoner Alexandra Palace, genannt Ally Pally, beginnt und mit dem Finale am 3. Januar zu Ende gehen wird, belegt mit Noa-Lynn van Leuven aus den Niederlanden erstmals eine trans Frau.

Natürlich begleiten ihren Start viel Getöse und einige Proteste, da sie aus Sicht der traditionellen Spielerinnen einer weiteren cis-Frau den Platz wegnimmt. Auch sind wegen ihr zwei Werferinnen aus dem niederländischen Nationalteam ausgetreten. Auch von Morddrohungen gegen sie musste van Leuven berichten.

Aber die Darts-Weltmeisterschaft öffnet sich, im feierwütigen Ally Pally ist alles kein Problem, da nimmt man gerne, was kommt, denn was zählt, ist das Spektakel. Sherrock, die dort schon mehrere Runden gegen Männer gewann, startet am Dienstag gegen Ryan Meikle, van Leuven gegen Landsmann Kevin Doets. Die Einlaufmusik der neuen Dame übrigens: „Euphoria“ von Loreen.

Erschließung von Eventmärkten

Die Darts-WM öffnet sich natürlich hauptsächlich aus kommerziellen Gründen. Neue Märkte, was hier meist neue Fernsehmärkte, aber auch Eventmärkte sind, wollen erschlossen werden. Im nächsten Jahr, zur WM 2026, soll das Startendenfeld von 96 auf 128 Startende erweitert werden. Das Turnier soll vier weitere Tage mit insgesamt acht Sessions und mehr als 25.000 Tickets umfassen, vielleicht fällt einer der Feiertage, die seit Längerem Tabu sind, und das Finale wird eher in Richtung Dreikönigstag geschoben. Auch an einen Umzug denken die Veranstalter – vorerst allerdings nur innerhalb des Ally Pally in eine noch größere Halle: Da passen dann 7.000 statt 3.500 Feierwütige rein.

Das Ganze erinnert an den Weltfußballverband Fifa, denn auch beim Darts sind inzwischen absurde Summen im Spiel. Aber: Die Gefahr, dass die WM dereinst in Saudi-Arabien startet, dürfte noch lange recht klein sein. Das Feld öffnet sich und tut sich doch schwer, aus den eigenen Begrenzungen heraus zu kommen: Nicht überall auf der Welt erschließt sich das hedonistische Wesen dieses Kneipen- und Feiersports, was sich auch an den Profis festmacht: So kommt der Weltmeister immer noch von der Insel, in diesem Jahr war das Luke Humphries, oder aus den Niederlanden, die schon früh den Anschluss an die Weltspitze gefunden hatten.

Die Deutschen tun zwar vieles, um wenigstens als zweite Nation vom Kontinent zu gelten, aber der große Durchbruch blieb bislang aus – abgesehen von dem einen Halbfinale, das Gabriel Clemens erreichen konnte. Die Favoriten kommen auch diesmal aus England: Titelverteidiger Humphries, „Wunderkind“ Luke Littler, die ehemaligen Champs Rob Cross und Michael Smith.

Dass inzwischen so viel Geld in dem charmanten, von außen auch irgendwie schrulligen Sport kursiert, führt auch dazu, dass alte Haudegen ihre Finger nicht davon lassen können. Gary Anderson beispielsweise, zweimaliger Weltmeister, hatte schon mehrfach mit seinem Abschied von der großen Bühne geliebäugelt, ist aber immer noch dabei. Raymond van Barneveld, Anführer der „Barny-Army“ und einstiger Rivale des überlebensgroßen Phil Taylor, der immerhin bereits 2018 seinen Hut nahm (allerdings immer noch bei der Seniorenweltmeisterschaft teilnimmt), legte im vergangenen Jahr sein Comeback hin und will es diesmal wieder wissen.

Allein, die vorderen Plätze werden für die Jüngeren reserviert sein – dass alte Herren das Setting bestimmen, ist Geschichte, so viel Professionalisierung bis in die Ernährungsgewohnheiten hinein hat unter den Darts-Profis dann doch stattgefunden. Ex-Champs wie Peter Wright, Gerwyn Price oder Dreifachsieger Michael van Gerwen, vergangenes Jahr am sogenannten „Burger-Gate“ gescheitert – er aß während der WM einen Burger, der ihn anschließend matt legte –, werfen ihre Pfeile inzwischen dem Vorderfeld und ihrer einstmals blendenden Form hinterher.

Und es gibt und gab auch die wirklich traurigen Fälle wie Adrian Lewis oder Glen Durrant. Lewis, zweimaliger Champion, verlor irgendwann Lust und Laune am Spiel und kämpfte mit Depressionen, im Moment nimmt er eine Auszeit; Durrant, vormals Dauersieger bei den BDO-Weltmeisterschaften, sozusagen dem Vorläufer des Profi-Verbands PDC, hatte ein aufreibendes, weil stark auf Konzentration setzendes Spiel und wurde von Corona und den Folgen aus der Bahn geworfen. Nach einem erfolglosen Start bei der Senioren-WM hing er im November sein Board endgültig an den Nagel.

Am Sonntagabend geht es also wieder los, mit dem vom Papier her eher bedeutungslosen Match zwischen Thibault Tricole und Joe Comito, dessen Sieger in Runde zwei noch am selben Abend den Titelverteidiger Humphries herausfordern darf. Der, wenn er gewinnt, sich dann erst mal auf eine tagelange Pause freuen darf. Das wird im nächsten Jahr nicht mehr so sein.

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1 Kommentar

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  • Kapiere eh nicht, warum bei Darts zwischen Männlein und Weiblein unterschieden werden sollte - genauso wenig wie im Schach.



    Kommt ja weder auf Muskelmasse noch Körpergröße an.



    Die Professionalisierung nervt, so endet das dann auch bald mit fast identischen High-end Sportlern, deren Ergebnisse sich nur im Promillebereich unterscheiden und bei denen Gewese um Testosteronwerte eh von absurder Ironie sind, da deren Veranlagung von Normalsportlernden soweit weg sind wie die des Terminators von meinem Saugroboter.