Daniel Bax über die Kürzungen beim WDR-Funkhaus Europa: Der Irrtum von Köln
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht unter Druck. Die einen werfen ihm vor, zu stark von politischen Interessen abhängig zu sein, wenn nicht gar „von oben“ gesteuert zu werden, Stichwort „Lügenpresse“. Auf der anderen Seite finden sich in seinen stromlinienförmigen Programmen, die sich hauptsächlich an Einschaltquoten orientieren oder, beim Radio, auf maximale „Durchhörbarkeit“ getrimmt werden, viele Zuschauer und Zuhörer nicht mehr wieder. Deshalb werden die Stimmen derer immer lauter, die seine Legitimation anzweifeln und sich fragen, wozu sie überhaupt noch Rundfunkgebühren bezahlen sollen.
Das Dilemma ist nicht nur selbst verschuldet: In einer zunehmend vielfältig werdenden Gesellschaft fällt es dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk naturgemäß schwer, seinem Integrationsauftrag gerecht zu werden, dem er laut Verfassung verpflichtet ist. Deshalb braucht er Sender wie das „Funkhaus Europa“ beim Westdeutschen Rundfunk (WDR), die nicht nur den Mainstream bedienen. Es ist ein Leuchtturm der Radiokultur, der weit über Deutschland hinaus strahlt, und ein musikalischer Jungbrunnen, nicht nur für den Sender. Doch mit den radikalen Kürzungen, die der WDR nun plant, setzt er sein Alleinstellungsmerkmal aufs Spiel. Es dürfte der erste Schritt zur Abwicklung des „Funkhauses Europa“-Programms sein. Das macht diese „Reform“ zum medienpolitischen Skandal, dessen Botschaft weit über die Senderzentrale in Köln hinausreicht. Sie lautet: Wir setzen auf Einheitsbrei statt auf Vielfalt.
Derzeit besitzen rund 20 Prozent der Bevölkerung in Deutschland einen Migrationshintergrund, Tendenz steigend. Diese Vielfalt spiegelt sich in den Redaktionen, Gremien und Programmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks schon jetzt kaum wider. Dass der WDR als Motor der ARD-Senderfamilie nun plant, sein Flaggschiff in Sachen Vielfalt zu stutzen, wenn nicht gar zu versenken, kommt einer Selbstaufgabe gleich.
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