Dänischer Pensionsfonds in Berlin: Gute Renten für teure Mieten
Ein dänischer Rentenfonds hat in Berlin groß eingekauft. Mieter in Neukölln wollen die Übernahme noch verhindern und hoffen auf das Vorkaufsrecht.
Wie mehr als 50 Mieter von 14 Häusern eines denkmalgeschützten Ensembles, das sich beidseitig der Thiemannstraße bis in die Böhmische Straße zieht, appelliert Lehmann mit einem persönlichen Brief an den Bezirk, den Verkauf der Häuser noch zu stoppen: per Verkaufsrecht für eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft oder durch eine Genossenschaft. Gesammelt hat die Briefe Elena Poeschl, die ihre Wohnung als „Zentrale“ des Protests bezeichnet.
Seit sie Anfang November die Nachricht vom Verkauf der Häuser erreichte, hat sich die zugezogene Studentin zur Vollzeit-Aktivistin entwickelt. „Anfänglich wollten wir nur etwas Aufmerksamkeit für uns schaffen“, sagt sie; „nun wollen wir durchsetzen, dass die Geschichte in Dänemark ankommt.“ Denn Käufer ihrer Häuser ist die dänische Pensionskasse PFA.
Der kommerzielle Fonds ist der europaweit fünftgrößte seiner Art mit einer Bilanzsumme von etwa 80 Milliarden Euro. Mit dem Geld dänischer Arbeitnehmer und Rentner geht die Kasse europaweit auf Einkaufstour. Standen bislang eher Windparks im Fokus, hat sie inzwischen ihre eigene Immobiliensparte eröffnet, Mitarbeiter von Goldman Sachs übernommen oder jüngst die Chefstrategin der in einen Geldwäscheskandal verwickelten Danske Bank.
Im Sommer übernahm der Pensionsfonds für 1,2 Milliarden Euro ein erstes großes Immobilienpaket in Deutschland. Das „Century“-Portfolio umfasst 3.700 Wohnungen in 15 Städten. Verwaltet wird es von der Münchener Domicil Real Estate Group, die in einer Erklärung das „hohe Entwicklungspotenzial vor allem in Berlin und München“ hervorhebt.
Alte Mieter, günstige Mieten
Die Altersvorsorge der Dänen könnte zum Problem für die Altersvorsorge vieler Berliner werden. Allein in Neukölln sind unter den etwa 300 Bewohnern mehr als 60 Rentner, viele wie Lehmann sind seit Jahrzehnten hier verwurzelt. Für alle ist klar: Eine finanzierbare Wohnung in der Nähe wird nicht mehr zu finden sein.
Während Poeschl mit etwa 600 Euro für 50 Quadratmeter schon über dem Mietspiegel liegt, zahlen viele ihrer Nachbarn deutlich weniger. Entsprechend groß ist die Angst vor der PFA, die geschätzt mehr als 30 Millionen Euro für die Häuser bezahlt hat.
Jochen Biedermann, Grüne
Für die kommunale Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land wäre das ein großer Brocken, der nicht ohne einen kräftigen Zuschuss vom Finanzsenator zu stemmen wäre. In einem Brief bitten drei Neuköllner Abgeordnetenhausmitglieder der SPD und der Bundestagsabgeordnete Fritz Felgentreu Senator Matthias Kollatz (SPD) um eine wohlwollende Prüfung.
Viel Geld, aber machbar
Bezirksstadtrat Jochen Biedermann (Grüne) wird angesichts der Summe nicht bange. Wohnungsbaugesellschaften hätten das Geld und haben auch schon größere Projekte gestemmt, sagte er der taz. „Es sind genau jene Mieter, die wir schützen wollen“, so Biedermann; die vielen Altbewohner seien „eine zusätzliche Kraftanstrengung wert“. Bis zum 7. Januar muss der Bezirk sein Vorkaufsrecht ziehen. Will die PFA dies abwenden, kann sie eine Vereinbarung unterschrieben, die ihr eindeutige Mieterschutzmaßnahmen abverlangt.
In der Gleditschstraße in Schöneberg hat der Pensionsfonds am Mittwoch eine Anwendungsvereinbarung für eine Häuserzeile unterschrieben. Nichts bekannt ist aus den anderen Siedlungen in der Bernhard-Lichtenberg-Straße in Prenzlauer Berg sowie der Seestraße und der Turiner Straße im Wedding.
Die Hausgemeinschaft, die sich den Namen BoeThie verpasst hat, macht weiter mobil. Geplant sind eine Fotoausstellung der Bewohner, eine Demo und eine Pressekonferenz mit den MdBs Pascal Meiser (Linke) und Cansel Kiziltepe (SPD), Mieterbund-Chef Rainer Wild und Biedermann. Vielleicht hat er ja bereits eine gute Nachricht im Gepäck.
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