Dänischer Journalistenpreis: Dänemark bald ohne Victor
„Årets Victor“ ist in Dänemark ein angesehener Medienpreis. Wegen Vorwürfen gegen den Namensgeber wird es ihn künftig nicht mehr geben.
STOCKHOLM taz | „Årets Victor“, einen der angesehensten dänischen Medienpreise, wird es nicht mehr geben. „Neue Informationen disqualifizieren eine Auszeichnung in seinem Namen“, teilte Knud Brix, der Chefredakteur der Kopenhagener Tageszeitung Ekstra Bladet am Montag mit. „Sein Name“: Das ist der von Victor Andreasen, der zwischen 1963 und 1976 als Chefredakteur den Journalismus von Ekstra Bladet prägte.
„Wir halten es nicht länger für angemessen, einen Preis nach Victor Andreasen zu benennen“, begründete Brix den Schritt. Gegen den 2000 verstorbenen und mit der Schriftstellerin Tove Ditlevsen verheirateten Andreasen gibt es neue Anschuldigungen wegen sexuellen Missbrauchs. Erhoben werden sie in dem kürzlich erschienenem Buch „Tove Ditlevsen war meine Großmutter“, das von Ditlevsens Enkelin Lise Munk Thygesen verfasst wurde. Ihre Großmutter hatte sie durch Suizid verloren, im Nachlass ihrer Mutter Helle Munk hatte sie einen Ordner mit dem Titel „Hemmeligheder“ („Geheimnisse“) gefunden, auf dessen Inhalt sich das Buch gründet. Dieser deutet darauf hin, dass Andreasen sexuelle Übergriffe an seiner Stieftochter, Ditlevsens Tochter Helle Munk, begangen hat.
Kombiniere man bisher schon Bekanntes mit den neuen Informationen, gebe es keinen Grund, an der Darstellung von Lise Munk zu zweifeln, sagt Brix. Weiterhin einen Preis in Andreasens Namen zu verleihen, verbiete sich nicht zuletzt deshalb, weil diese Auszeichnung explizit „für Offenheit, Aufklärung, kritische und korrekte Arbeit und Enthüllungsjournalismus verliehen wird“.
Mit „Årets Victor“ waren seit 1980 jährlich JournalistInnen, SchriftstellerInnen, FotografInnen oder CartoonistInnen geehrt worden, die laut Preisbegründung „im frechen und anarchistischen Geist arbeiten“, der auch den Journalismus von Ekstra Bladet prägte. Unter anderem hatte ihn 2015 die französische Wochenzeitung Charlie Hebdo nach dem Terroranschlag auf deren Redaktion erhalten.
Der Preis besteht aus einer Preissumme und einem Pflasterstein, der den Namen des Geehrten trägt. Diesjährige und damit letzte Preisträger waren die beiden dänischen Journalisten Emil Filtenborg und Stefan Weichert, die bei einer Reportage in der Ostukraine verletzt worden waren, nach einem Krankenhausaufenthalt aber laut Preisbegründung „ihre Arbeit mit herausragenden Reportagen und einmaligen Frontberichten“ fortgesetzt hatten.