Dänische Zeitung "Jyllands-Posten": Neuer Terrorverdacht im Karikaturstreit
FBI und dänischer Geheimdienst haben angebliche Terrorpläne gegen die Tageszeitung „Jyllands Posten“ enthüllt. Hintergrund sollen die Mohammed-Karikaturen von 2005 sein.
STOCKHOLM taz | „The Mickey Mouse Project“, verkürzt „MMP“ war das Codewort, unter dem sich die Verdächtigten per E-Mail über ihre Pläne austauschten. Am Dienstag machten die Sicherheitsbehörden in den USA und in Dänemark die Festnahme eines kanadischen und eines US-Staatsbürgers bekannt, die Terroranschläge auf verschiedene dänische Ziele geplant haben sollen. Im Zentrum: Die Redaktionen der Tageszeitung „Jyllands-Posten“ in Kopenhagen und Århus, der ehemalige Kulturchef der Zeitung Fleming Rose und der Karikaturenzeichner Kurt Westergaard.
Hintergrund der vermuteten Anschlagsplanungen sollen die von „Jyllands-Posten“ im September 2005 veröffentlichen zwölf Karikaturen über den Propheten Mohammed sein. Diese hatten mit mehrmonatiger Verspätung Anfang 2006 teilweise gewaltsame Proteste in mehreren islamischen Ländern ausgelöst. Sowohl gegen die Zeitung wie gegen Rose hatte es in der Vergangenheit wiederholt Drohungen gegeben. Im Februar 2008 waren in Dänemark drei Personen wegen eines angeblich geplanten Mordanschlags auf den Zeichner Westergaard festgenommen worden. Zu einem Gerichtsverfahren kam es nie, da nicht nachgewiesen werden konnte, dass diese Absichten bis zu einem strafrechtlich relevanten Vorbereitungsstatus gediehen waren.
Ob das bei den jetzt behaupteten Anschlagsplanungen anders ist, kann aufgrund der bislang bekannt gemachten Informationen schwer beurteilt werden. Konkret wird nur mitgeteilt, die beiden Festgenommenen hätten bei Besuchen in Kopenhagen die Redaktionsräume der Zeitung „ausspioniert“ und auch Videoaufnahmen gemacht. Der 49-jährige Amerikaner habe im Oktober 2008 in einem pakistanischen Internetform „Hass“ gegen Karikaturenzeichner Westergaard zum Ausdruck gebracht. Er war am 3. Oktober auf Chicagos Flughafen O’Hare vor einer geplanten Reise nach Pakistan festgenommen worden, wo er sich angeblich mit drei weiteren in die Terrorpläne verwickelten Personen treffen wollte.
Laut der mittlerweile veröffentlichten Anklageschriften speisen sich die Beweise für die von der US-Anklagebehörde behauptete „Bereithaltung von Material zur Unterstützung von Terroristen“ und „Konspiration zu einem Mord in einem anderen Land“ fast durchweg aus der Überwachung des e-mail-Verkehrs der Betroffenen. Patrick Blegen, der Anwalt des verdächtigten 48-jährigen Kanadiers, wies mittlerweile alle Beschuldigungen gegen seinen Mandanten zurück: „Er ist ein respektierter Geschäftmann und wartet ungeduldig darauf, seinen Namen und den seiner Familie vor Gericht reinzuwaschen“.
Jakob Scharf, Chef des dänischen Verfassungsschutzes PET bewertete vor der Presse die jetzt aufgedeckten Pläne als „sehr ernst“: „Einer der Festgenommenen verfügt über umfassende Kontakte zu einem Netzwerk militanter Extremisten in Pakistan, die nicht nur Dänemark Böses wollen, sondern auch schon bewiesen haben, dass sie im Stande sind, rücksichtslose Terrortaten auszuführen.“ FBI nennt in diesem Zusammenhang die Organisation „Lashkar-e-Taiba“. Diese wird mit Bombenattentaten in Mumbai 2006 und 2008 in Verbindung gebracht und ist auf der EU-Terrorliste aufgeführt.
„Muslimernes Fællesråd“, eine Dachorganisation 13 muslimischer Vereinigungen in Dänemark, verurteilte die Terrorpläne: „Derartiges steht im direkten Widerspruch zu den Grundwerten des Islam.“ Die rechtspopulistische „Dänische Volkspartei“ forderte eine Verschärfung des erst im vergangenen Jahr verschärften Terrorgesetzes. Regierung und oppositionelle Sozialdemokraten signalisierten hierzu Bereitschaft, solle sich erweisen, dass die bisherigen Werkzeuge zur Bekämpfung des Terrors nicht ausreichen. PET teilte mit, man habe keinen Grund für eine grundsätzliche Neubewertung einer möglichen Terrorgefahr gegenüber Dänemark, werde aber die Überwachung spezifischer Personen und Objekte verstärken.
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