Dänemark übernimmt EU-Ratsvorsitz: Sicherheitspolitik steht ganz oben auf der Agenda
Dänemark übernimmt den EU-Ratsvorsitz. Regierungschefin Frederiksen will sich in den kommenden sechs Monaten auch für schärfere Migrationspolitik starkmachen.
Doch der Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hat Dänemark stärker an die EU gebunden. Im Mai 2022 hob das Land mit sechs Millionen Einwohner*innen per Volksabstimmung eine seiner vier Opt-out-Regelungen auf, den Verteidigungsvorbehalt. Diese Klausel im Vertrag von Maastricht hatte Dänemark zuvor von der Verpflichtung zur Teilnahme an einer gemeinsamen Verteidigungspolitik freigestellt.
Heute klingt das so: „Wir müssen Europa wiederbewaffnen und unsere Unterstützung für die Ukraine verstärken“, so Frederiksen. Auch zur Gruppe der „sparsamen Vier“ – vier EU-Staaten, die seit 2020 gemeinsame EU-Ausgaben begrenzen wollen – gehört Dänemark nicht mehr. Und Kopenhagen geht bei der Verteidigung voran: Im Februar 2025 erfolgte die Ankündigung, die Militärausgaben bis 2033 auf mehr als drei Prozent des BIP aufzustocken.
Doch wenn Frederiksen von Sicherheit spricht, dann spricht sie auch von Migration. Die Regierungschefin, der schon öfter die Frage gestellt wurde, ob sie mit ihrer harten Asylpolitik überhaupt noch Sozialdemokratin sei, wird wohl versuchen, die harte Migrationspolitik Dänemarks stärker auf EU-Ebene zu etablieren.
Schulterschluss mit Meloni
Ein zentrales Anliegen während der Ratspräsidentschaft dürfte sein, Aufnahmelager für Asylsuchende und Flüchtlinge außerhalb der EU rechtlich zu ermöglichen. Dafür sucht Frederiksen auch den Schulterschluss mit Italiens postfaschistischer Regierungschefin Giorgia Meloni.
Im Mai forderten beide in einem offenen Brief, dem sich sieben europäische Regierungschefs anschlossen, mehr Spielraum bei nationalen Entscheidungen, um Migration zu kontrollieren. Zudem wollen sie eine flexiblere Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Von zentraler Bedeutung für Aufnahmelager außerhalb der EU wird eine Entscheidung des EuGH im Rechtsstreit mit Italien sein. Rom hat versucht, seine „albanische Lösung“ umzusetzen, Migranten aus als sicher geltenden Herkunftsländern in albanische Lager zu bringen und wieder in ihre Heimatländer abzuschieben. Ein Urteil in dieser Sache wird in den nächsten Monaten erwartet.
In Europa wächst der Zuspruch für eine Migrationspolitik à la Dänemark. „Wenn doch alle Sozialdemokraten wie Mette Frederiksen wären!“, schwärmte Kanzler Friedrich Merz auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar. Der wachsende Einfluss in Brüssel dürfte Frederiksen bei der dänischen Parlamentswahl 2026 die eine oder andere Stimme bringen.
Europäischer Tango
Spannend wird auch, wie Frederiksen der europäische Tango mit den USA gelingt. Die Rede ist von Trumps Anspruch auf Grönland – einst Kolonie, heute autonome Region des dänischen Königreiches. Nach Trumps Auslassungen über Grönland tourte Frederiksen durch Europa, um Rückhalt zu gewinnen und den USA zu zeigen, dass die Insel so leicht nicht zu kriegen ist.
Doch auf Konfrontationskurs mit Washington mag Dänemark am Ende dann doch nicht gehen: Im Juni stimmte das dänische Parlament dennoch einem Gesetzesentwurf zu, der US-Militärbasen auf dänischem Boden zulässt – die Erweiterung eines Abkommens von 2023 mit der Biden-Regierung.
Für den dänischen Politologen Ulrik Pram Gad lautet die Analyse der dänischen Regierung: „Wir hängen weiterhin von der Unterstützung der USA ab. Dementsprechend müssen wir alles tun, um den USA zu signalisieren, dass sie willkommen sind, dass wir sie als Verbündete wollen.“
Was jedoch, wenn Trump doch mit seiner Warnung wahr macht und vor dem Einsatz von Militär auf Grönland nicht zurückschreckt? Dann könne niemand etwas dagegen tun. „Es macht keinen Sinn, Grönland gegen die USA territorial zu verteidigen.“ Andererseits, so Pram Gad, mache es auch für Trump, rein rational betrachtet, keinen Sinn, Grönland militärisch zu übernehmen. Niemand werde Grönland angreifen, außer vielleicht im Falle eines Weltkrieges.
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