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Dada denkender Bauarbeiter

■ Ein Architekturwettbewerb, an dem jeder teilnehmen kann: Hausgemeinschaft in Prenzlauer Berg sucht Gestaltungsideen für ihre Freifläche

Umbau, Rückbau, Abbau, Anbau, Aufbau, Städtebau. In keiner anderen Stadt würden die Menschen derart von Neuem überrollt wie in Berlin, meinen die BewohnerInnen der Lychener Str. 60 in Prenzlauer Berg. Jeder solle deshalb die Chance haben, mit seinem eigenen stadtspezifischen Allgemeinwissen wenigstens an der Planung teilzunehmen. Daher schreibt der Hausverein Dada Thomyziel – nicht zu verwechseln mit der Baufirma Data Domizil – jetzt den „Wettbewerberlin '97“ aus, an dem alle, egal ob Laie oder professionelle Architektin, teilnehmen können. Gesucht wird ein „Pocketmasterplan“ für die Freifläche vor dem Haus.

Fünf lange Jahre sanierten die BewohnerInnen ihr Gebäude in Selbsthilfe. Doch plötzlich fiel das Auge auf die „fehlende Blockranderscheinung“. Das Vorderhaus war den Bomben des Zweiten Weltkriegs zum Opfer gefallen. Auch auf den Nachbargrundstücken klaffen Lücken. Der Bebauungsplan sieht die Errichtung eines „Pocketparks“ vor. „Das hieße Bäume und Grün, ein Klettergerüst für Kinder“, erklärt Hausbewohner Benjamin Foerster-Baldenius. Das sei aber nur interessant für Hunde und ihre Besitzer. Die Hausdadaisten wollen nicht nur eine neue Gestaltungsform für den Minipark anregen. Foerster- Baldenius versteht den Wettbewerb auch als humorvolle Kritik an der vorherrschenden Stadtplanungsdiskussion.

Gefragt ist ein Raumkonzept, das man „irgendwie“ nutzen kann. „Eine Tankstelle für die Stadt, für ihr Leben selbst.“ Und vor allem: bloß nichts für die Ewigkeit. Denn egal, was dann wirklich ab Juli durch einen „freiwilligen Trupp denkender Bauarbeiter“ entstehen wird, bereits im Herbst wird alles wieder abgebaut. Daher auch die einzige Vorgabe: Die zu verwendenen Materialien sollen kostenfrei zu entsorgen sein. Den Sommer über wird das Enstandene dann kulturell belebt. „Passanten werden es mit eigenen Ideen füllen“, hofft Foerster-Baldenius.

Noch bis zum 8. Juni darf jeder Entwürfe einreichen. Nach der Bewertung durch eine aus Künstlerin, Bauunternehmer, Bühnenbildnerin und „Imbißexperten“ zusammengesetzte Jury werden die Pläne ausgestellt. „Ergreifen Sie die Chance, Ihre peinlichsten urbanen Entwürfe, Ihre visionärsten Kinderträume realisiert zu sehen!“ wirbt Dada Thomyziel auch um Beiträge der Architektencreme. Die Potsdamer-Platz-Gestalter Hilmer und Sattler und der Entwerfer der Reichstagskuppel, Sir Norman Foster, wurden angeschrieben. Und wenn nun die Masterplaner Stimmann und Hoffman-Axthelm sich an dem Wettbewerb beteiligen würden? Foerster-Baldenius, selbst angehender Architekt, fände es spannend zu sehen, welche „lockeren Alternativen zum retro-urbanen Fugenfüllen“ gerade die Experten, losgelöst vom „Berliner Stadtplanungsgeflecht“, entwicklen könnten. Gereon Asmuth

Wettbewerbsunterlagen bei: Dada Thomyziel e.V., Lychener Str. 60, 10437 Berlin, Tel. + Fax: 4447526

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