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Da tanzt die Metzgerinnung

■ Das knülle „Scheinbar Varieté“ aus Berlin: noch bis 1. August im Schlachthof

Sie beginnen, als wollten sie das Publikum gleich wieder vergraulen. Unendlich langsam, nicht enden wollend, turnt eine Mann- Frau auf den Rängen des Schlachthofes herum und macht Faxen zur Musik vom Band. Dann betritt ein quirlig-schmieriger Moderator die Bühne und erklärt erst einmal, worum es geht: Der jährliche Ball der „Metzgerinnung“ sei soeben eröffnet worden, darum dürfen wir uns auf den Rängen auf einen bunten Abend freuen. Variete sei angesagt, nun werde zwei Stunden lang „auf die Kacke gehauen“.

Das erweist sich allerdings sofort als völliger Unsinn, denn entgegen der fäkalen Ankündigung schlägt da ein Mann auf wassergefüllte Flaschen ein, die auch noch wohl klingen. Als dann auch noch ein grüner Herr namens Franz Frosch dilettantische, weil schlecht eingeübte Tanzkunststückchen vorträgt, scheint der Abend gelaufen.

Scheinbar aber nur, denn erstens geht der Abend jetzt erst richtig los, und zweitens wollen die neun Herren und eine Dame des Scheinbar Variete offenbar nur ihrem mindestens zweideutigen Namen gerecht werden. Was nun folgt, ist eine kurzweilige Nummernrevue, die es darauf angelegt hat, das Publikum aus der Reserve zu locken. Das Berliner Ensemble baut viel auf Tanz und Pantomime, parodiert und läßt parodieren. Nach einem Robot- Dance, einer wortlosen Trabbi- Fahrer-Persiflage und einer skurrilen „Georgischen Grotesk- Tanzgruppe“ sind die ZuschauerInnen dran. Sie dürfen zu dritt auf der Bühne beweisen, daß sie Gitarre ohne Instrument spielen können.

Die Scheinbaren veräppeln, turnen, singen, rocken live und jonglieren tatsächlich über zwei Stunden. Auf spektakuläre Sensationen kommt es ihnen nicht an, sie unterhalten mit Augenzwinkern. Nur einmal, gegen Ende wird es richtig atemberaubend. Da führen die Schweizer „Les Pilotes“ hoch über der Bühne eine wahnwitzig schnelle Vertikalseil- Akrobatik vor. Ein wirklicher Höhepunkt. Lobsang Samten

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