DOKUMENTATION: „Wir sind von eurem Nazismus überzeugt“
■ Ein Schreiben der Cordes-Entführer, pünktlich zu Beginn des Prozesses gegen Mohammed Hamadi, kritisiert die Bundesregierung
Glaubt man diesem Brief, so liegt den Entführern weniger der jetzt Angeklagten am Herzen als sein Bruder Mohammed. Offenbar soll Cordes als Faustpfand für diesen gefangengehalten bleiben. Da die Sprache seiner Wärter einen verräterischen Einblick in ihr Weltbild bietet, drucken wir das Schreiben im Wortlaut ab.
„Trotz unserer positiven Haltung in der Geiselaffäre und der Freilassung von Alfred Schmidt scheint es, daß die deutsche Regierung die Tatsachen und unsere Fähigkeit verkennt, wirksam zu handeln, um die Angelegenheit in der einen oder anderen Weise voranzubringen. Die deutsche Regierung muß aufpassen, was sie tut. Sie muß letztendlich die Konsequenzen tragen, denn wir haben die Grenzen erreicht, über die wir nicht hinausgehen werden, gleichgültig, welche Druckmittel, Vermittler und Interessen im Spiel sind.
Obwohl wir Cordes in der Hand haben, legt die deutsche Regierung eine Verkommenheit an den Tag, die der Achtung vor der Menschenwürde Hohn spricht, indem sie den islamischen Kämpfer Mohammed Hamadi entgegen der Genfer Konvention und im Widerspruch zu den Menschenrechten behandelt. Die Rechte dieses Gefangenen sind durch internationale Verträge und das deutsche Regime anerkannt, doch die deutschen Verantwortlichen sind scheinbar Enkel der Nazis, die den Nazismus wieder aufleben lassen und ihn dem deutschen Volk erneut aufzuzwingen versuchen.
Wir werden das nicht zulassen und nicht dulden, daß die Dinge so weitergehen. Es scheint, daß die Gründe für die negative Entwicklung ausschließlich in der Nazi-Gesinnung liegen, mit der die deutsche Regierung handelt. Will sie mit den Mißhandlungen, die sie dem islamischen Kämpfer Mohammed Hamadi antut, die Affäre zu einem tragischen Ende bringen oder eine neue Eskalation auslösen? Sie hätte wissen müssen, das die Geisel-Karte nicht unsere einzige und letzte ist. Wir haben noch viele andere Trümpfe, die dazu führen könnten, daß sie noch die verpaßten Gelegenheiten bedauert, die ihr geboten wurden.
Wir haben einen Brief des islamischen Kämpfers Mohammed Hamadi erhalten und daraus die neonazistische Methoden erfahren die uns unsere Illusionen über die lügnerischen Behauptungen genommen haben, zumindest, was die Behandlung der Gefangenen betrifft. Obwohl wir nicht die Mittel enthüllen wollen, die euch wehtun, so wie ihr uns mit der Behandlung des islamischen Kämpfers Mohamed Hamadi wehtut, versichern wir dennoch, daß wir in keinem Fall zu ähnlichen Methoden gegenüber Cordes greifen werden, denn damit würden wir unsere Menschlichkeit verlieren.
Wir haben in der Vergangenheit Alfred Schmidt freigelassen und bedauern das keineswegs, denn seine Freilassung hat uns gezeigt, wie wir uns künftig verhalten müssen. Sie hat uns zugleich die verräterischen und betrügerischen Tricks der deutschen Regierung enthüllt und hat uns von der Tatsache eures Nazismus überzeugt, obwohl wir bisher den Wahrheitsgehalt der Berichte über den Massenmord an den Juden angezweifelt haben.
Es ist eine Schande für einen Staat, der sich selbst achtet, einen Gefangenen auf diese Weise zu behandeln, gleichgültig, aus welchen Gründen. Mit den Beleidigungen und Erniedrigungen in der Ernährung, den Schlafmöglichkeiten und anderen geringfügigeren Einzelheiten, deren Opfer er ist, muß sofort Schluß sein. Morgen beginnt der Prozeß gegen Abbas Hamadi. Die deutsche Regierung muß sich überlegen, was an diesen Tagen geschieht, die Konsequenzen ziehen und wissen, daß alles seinen Preis hat. Sie muß begreifen, daß dieser Zustand nicht weiter andauern kann.
Der Brief des islamischen Kämpfers Mohammed Hamadi wird demnächst vollständig veröffentlicht und unsere künftige Haltung wird vom morgigen Prozeß und der weiteren Behandlung des Gefangenen abhängen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen