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DIE ZWANGSARBEITER UND DAS KOLLEKTIVBEWUSSTSEIN DER UNTERNEHMERVon Scham keine Spur

Wolfgang Gibowski, Sprecher der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft zur Entschädigung der Zwangsarbeiter, forderte am Wochenende, den Anteil der mittlerweile privatisierten ehemaligen Staatsunternehmen für den Entschädigungsfonds vom Staatsanteil auf den Privatanteil umzulegen. Keine Spur von Scham angesichts der Dreistigkeit dieses Vorschlags, warum auch?

Kollektive Scham setzt kollektives Erinnerungsvermögen voraus. Beim Gros der deutschen Unternehmer beginnt die Firmengeschichte beim „Auferstanden aus Ruinen“, beim Wirtschaftswunder, das selbstverständlich sie bewirkt haben. Weil das so ist, stoßen alle Fakten auf taube Ohren, die den Anteil der Zwangsarbeit während des Zweiten Weltkriegs am deutschen Wiederaufstieg nach 1945 belegen. Das moralische Minimum verfängt nicht. Es bestünde in dem Argument, wenn ihr euch schon nicht für das Handeln eurer Väter und Großväter verantwortlich fühlt, dann entrichtet wenigstens einen geringen Abschlag auf die Quellen eures eigenen Reichtums.

Den Gründern der „Stiftungsinitiative“ schwebte darüber hinaus eine Art kollektiven rationalen Kalküls darüber vor, was „der Wirtschaft“ über den Tag hinaus frommt, internationales Ansehen und so weiter. Aber das Kollektivbewusstsein der Unternehmer existiert nun mal nur auf der Einnahmeseite. Und es orientiert sich äußerstenfalls nach Jahresabschlüssen.

Denkt die Öffentlichkeit genauso wie die Front der Verweigerer? Sind wir alle schon im Rollenkonflikt gefangen zwischen unserer öffentlichen Existenz als Citoyen, der um die Pflicht zur Entschädigung der Zwangsarbeiter weiß, und unserer private Existenz als Bourgeois, der den Blick starr aufs Aktiendepot heftet? Immer noch gilt: Wo Überredung versagt, kann der Pranger zum Ziel führen. Und entschlossenes Regierungshandeln. Wie sagte doch Karl Brozik von der deutschen Filiale von „Jewish Claims“: „Es gibt keinen Staat auf der Welt, der nicht mit verschiedenen Hebeln die Industrie beeinflussen kann.“ Fragt sich nur, in welche Richtung. CHRISTIAN SEMLER

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