DIE WERBEPAUSE: Saufen für Luchsbabys
Sehr naturverbunden gibt sich der aktuelle Werbespot der Brauerei Krombacher. Über die komplette Dauer von dreißig Sekunden spielt er im Wald. Also da, wo das Bier am besten schmeckt. „Jede dritte Tierart in Deutschland ist gefährdet“, mahnt ein Sprecher zu den Bildern einer kleinen Eule, die wahnsinnig putzig aus einem Baumloch lugt, „oder sogar vom Aussterben bedroht“. Ein Fischotter guckt traurig und irgendwie nachdenklich: Wie lange wird es ihn und seinesgleichen noch in freier Wildbahn geben?
Blutalkoholgehalt
Doch es gibt ja noch Krombacher. „Es wird Zeit, dass wir gemeinsam etwas dagegen tun“, wird die trinkfreudige Gemeinde aufgerüttelt. Untersuchungen haben ergeben, dass die Anzahl geposteter und gelikter Eulen mit steigendem Blutalkoholgehalt explodiert. In diese tiefe Kerbe menschlicher Schwäche schlagen nun die Bierbrauer. Für sich und für die Natur. Eine klassische Win-win-Strategie.
„Das große Krombacher Artenschutz-Projekt beginnt“, ertönt der zentrale Slogan – es startet der Adler, es flattert der Schmetterling. Mehr Symbolik war nie. „Mit jedem Kasten Krombacher geben Sie bedrohten Tierarten in Deutschland ein sicheres Zuhause.“
Während die Zuschauerin noch überlegt, ob die Unterbringung in leeren Bierkästen denn überhaupt artgerecht wäre, wird erneut der Otter eingeblendet. Er wirkt noch missmutiger als zuvor. Anschließend sieht man eine Luchsmutter mit Jungtier, dann zwei junge Luchse, die raufen. Spielerisch erlernen sie das Töten. So ähnlich dürften auch kleine Soldaten an ihr blutiges Handwerk herangeführt werden.
„Jetzt schützen und genießen“, erklärt der Sprecher. Das könnte eine Werbung für Kondome sein, ist es aber nicht. Ein klarer Wasserfall rauscht mächtig zwischen Bäumen, er steht seit jeher für das Reinheitsgebot. Es geht immer noch um Bier.
„Ein Kasten ist gleich ein Stück Heimat.“ Damit auch jeder versteht, dass das ein und dasselbe ist, wird „1 Kasten = 1 Stück Heimat“ in Schrift und Ziffern eingeblendet: eine Gleichung mit zwei sehr Bekannten. Vor unserem inneren Auge öffnet sich die Weite der deutschen Provinz. Eine Bushaltestelle. Ein paar Jugendliche. Ein Kasten Bier. Heimat eben. Zum dritten Mal blickt der Otter traurig in die Kamera. Es ist immer derselbe. Offenbar gibt es nur noch einen. Die Lage ist ernst. Trinken, schnell!
Leidensgenossen
„Jeder Kasten zählt“, brummt die Stimme aus dem Off. Schließlich sind Biertrinker und Tiere Leidensgenossen. Sie sitzen im selben, dem Untergang geweihten Boot. Nicht nur jede dritte Tierart ist gefährdet – auch jeder dritten Bierart droht die Extinktion. Obwohl es jeden Tag gute Gründe dafür gäbe, sich haltlos zuzuschütten, schrumpft die Zahl der Biertrinker in Deutschland seit Jahren besorgniserregend. Auch da zählt also jeder Kasten. Wir saufen nicht nur für Luchsbabys, wir tun es auch für uns selbst. Der deutsche Trinker stirbt vielleicht früh, aber er stirbt niemals aus.
Uli Hannemann
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