DIE WAHRHEIT: Knaller mit Bällen
Selbstbewusst führt Julius Lensmann uns durch seine Produktionsfirma in der Nähe von Köln. An den Wänden hängen unzählige Auszeichnungen ...
... für Produktionen, von denen wir jedoch bisher nichts gehört haben. Beweisen sollen sie sein goldenes Händchen bei der Suche nach geeigneten Konzepten für eine buntere Fernsehlandschaft.
"Das nächste große Ding wird die ,Politshow'. Da geht es dann aber nicht um Politik, sondern diese Shows werden von Politikern moderiert." Das hört sich erst einmal langweilig an, doch der 42-jährige Lensmann ist sich seiner Sache sicher: "Wir werden schon in den nächsten Wochen mit der Produktion beginnen. Mehr darf ich noch nicht dazu sagen." Doch Zurückhaltung ist nicht Lensmanns Stärke.
"Die Claudia Roth, das ist so eine Tolle, die muss ins Fernsehen. Dass das noch niemandem aufgefallen ist. Wir haben ihr ein krasses Konzept auf den Leib geschneidert: ,Sortier die Bälle'." Der gertenschlanke Fernsehmann reibt sich die Hände. "Das wird der Knaller. Es handelt sich um ein Spiel, in dem zwei Familien gegeneinander antreten. Sie müssen Bälle sortieren, also der Größe nach - ein irre spannendes Konzept, und im Hintergrund steht die Claudia Roth und feuert sie an. Das hat es noch nie gegeben."
Lensmann zündet sich eine Zigarette an und zieht genüsslich an ihr, während er seinen Blick träumerisch durch das klinisch saubere Büro wandern lässt: "Die Roth, die ist ne Wucht. Demnächst zeichnen wir eine Probesendung auf. Da wird die fast durchdrehen, so wird die dabei sein. Die Familien sind dann auch total begeistert. Und wir werden sehr darauf achten, dass auch alternative Familienmodelle eine Möglichkeit bekommen, sich bei dem Spiel einzubringen. In einer der ersten Folgen haben wir ein lesbisches Paar mit Drillingen dabei. Die werden bestimmt gewinnen. Das kommt immer gut rüber."
Aber das soll es noch nicht gewesen sein. Es scheint, als habe sich die Produktionsfirma für jeden bekannten Politiker etwas ausgedacht. Jetzt sprudeln die Informationen nur so aus dem smarten Produzenten heraus: "Der Cem Özdemir, der bekommt ein Konzept, das ist eine Mischung aus Talkshow und Glücksrad. Da soll es auch um Integration gehen, aber eher auf einer humoristischen Basis, so mit HipHop auf Schwäbotürkisch. Das finden die Leute total gut. Und der Cem ist ja auch so ein Aushängeschild für HipHop und Graffiti und so."
Zum ersten Mal kommt Lensmann kurz ins Grübeln. "Ich weiß gerade nicht mehr, inwieweit das Glücksrad da eine Rolle spielt." Schnell fasst er sich aber wieder und fordert uns auf, mit ihm den Fitnessraum aufzusuchen. "Der ist für die Mitarbeiter. Aber das hier, das ist auch der Raum, in dem Guido Westerwelle bald seine neue Fitnessshow präsentieren wird: ,Gesundes Atmen mit Guido'. Westerwelle ist ja sehr fit für sein Alter. Und da hatte ich die Idee, dass er das einfach mal den Leuten zeigt. Das wird zwar eher was fürs Regionalprogramm, aber ich könnte mir vorstellen, dass da ein Kultpublikum heranwachsen wird."
Auch für die amtierende Bundeskanzlerin hat sich Julius Lensmann ein überzeugendes Konzept überlegt. "Mit der Frau Bundeskanzlerin kann man ja ganz normal sprechen. Die ist ja nicht so abgehoben wie die anderen. Der Frau Merkel habe ich ein Konzept vorgelegt, das sie sofort toll fand. Wir werden da ein paar Formate kreuzen, die bisher noch nicht zusammengebracht worden sind. Ein bisschen Kochshow hier, ein bisschen scripted reality da, dann gibt es einen Spoken-Word-Teil, und noch einen Teil, in dem einfach grelle Lichter in die Kamera leuchten und ein Überraschungsgast erscheint. Wir werden das einfach ,Merkel' nennen. Das ist ja ihr Nachname. Der passt."
Auf Anfragen bei den erwähnten Politikern erhalten wir allerdings nur überraschte Antworten. Weder Claudia Roth noch Cem Özdemir oder Guido Westerwelle und vor allem auch Angela Merkel haben jemals von Julius Lensmann und seiner Produktionsfirma gehört. Umso größer ist unsere Überraschung, als wir feststellen, dass die Konzepte tatsächlich alle Angefragten sehr interessieren. Alle haben sich gern die Verbindungsdaten des rührigen Kölner Produzenten geben lassen. Es bleibt also abzuwarten, ob und wann die "Politshow" ihre ersten Blüten tragen wird.
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