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DIE WAHRHEITStadt der plappernden Maschinengewehre

Das schlechteste Englisch der Welt wird in Rom gesprochen. Denn in Rom gilt das Motto: Niemand kann so schnell kein Englisch wie wir! Q.I.E. ist überall ...

... "Quick Italian English". Es klingt wie ein kurzer Feuerstoß aus einem Maschinengewehr. Das beginnt bei den Durchsagen auf dem Flughafen und setzt sich im Hotel fort. Das Pronomen versteht man noch, der Rest bleibt verschwommen: "You wonna ssissorset?" - "Äh … yes." - "And you wonna ssissorset!" - "Ja, äh … okay …" Was immer auch ein "ssissorset" ist …

Dann beginnt das wahre Grauen. Allerorts springen einen freiberufliche Stadt- und Museumsführer an: "Do you speak English?" Ist man den einen gerade los, werfen sich zwei andere in den Weg: "Do you speak English?" Schüttelt man den Kopf, rattert es gnadenlos weiter: "Spanish? French? Russian?" Vor den Vatikanischen Museen hat man erst Ruhe, wenn man angibt, eine Führung in Latein zu wünschen. Aber auch damit kann man wahrscheinlich auf die Nase fallen, denn wer so perfekt kein Englisch spricht, der kann möglicherweise auch kein Latein gut.

Vor der Reise sollte man sich dringend bei älteren Romreisenden mit Informationen über die Ewige Stadt versorgen. Dann erfährt man, dass es praktisch unmöglich ist, einen Romaufenthalt lebend zu überstehen. Am besten, man trägt eine schusssichere Weste, schwere Lederstiefel sowie einen Helm. Es ist ratsam, diese Bekleidung auch im Hotelzimmer niemals abzulegen, die Fensterläden stets fest verschlossen zu halten und die Nachtruhe im Zimmersafe zu verbringen, aber erst, nachdem man den Kleiderschrank vor die Tür geschoben und mit einer kleinen Reiselandmine taktisch gesichert hatte. Denn Rom ist die Hauptstadt des Verbrechens. Auf den römischen Straßen sind überall Motorroller unterwegs, die mit zwei Männern besetzt sind. Der Hintermann entreißt einem hinterrücks die Handtasche. Gibt man die nicht frei, wird man mitgeschleift - bis nach Neapel, wo man blutig auf einem von der Mafia bewachten Müllberg landet.

Die Erwartungen an Rom sind dementsprechend hoch. Leider vergebens. Denn die Vespas in Rom sind inzwischen sehr viel leiser als noch vor Jahren. Das martialische Geknatter von früher, das gern nach Artilleriegefecht klang, ist dahin. Die Roller surren nur noch wie ein Italiener, der das Ti-Eitsch übt: Ssssss. Was furchtbar uncool ist. Kein Wunder also, dass ein römischer Heranwachsender keine Lust verspürt, mit einem solch schnurrenden Gefährt Raubüberfälle zu begehen.

Und so wird man nicht einmal mehr beklaut. Im Gegenteil. Man nimmt fremdes Eigentum in Besitz - wie einen auf einer Parkbank verlassenen Reiseführer. Bis auf die Seite mit dem Forum Romanum, wo offenbar eine Scheibe Schinken als Lesezeichen gedient hat, ist er in einem guten Zustand. Allerdings ist er auf Lettisch. Eine ganz wundervolle Sprache: Wenn man es sich ganz schnell selbst vorliest, klingt es fast wie Q.I.E. Man versteht also nicht das Mindeste. Aber es ist ganz nahe am Originalsound von Bella Roma!

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