DIE WAHRHEIT: Mir san net mitm Radler da
Neues aus Neuseeland: Man stelle sich vor, ein deutsches Fitnesscenter lässt sich was Neues einfallen: eine Stunde Schenkelklatschen, Augenrollen, Zunge rausstrecken ...
... Stampfen und Brüllen. Das schweißtreibende Programm, angelehnt an die Kriegskunst der Maori, wird clever "Haka" getauft und als Markenname geschützt. Sollte jemals eine neuseeländische Ureinwohnertruppe oder Rugbymannschaft ihren echten Haka in Deutschland aufführen wollen, handelt sie sich rechtliche Probleme ein und müsste den Kulturexport anders nennen, zum Beispiel abgekürzt "Imama" - Indigener Männerausdruckstanz mit Aggressionspotenzial.
Ja, da rollen sich einem ob solchen Geschäftsgebarens die Fußnägel auf. Und ebenso rollt sich Franz Xaver Kugler in seinem Grab hin und her. Der Münchener Gastronom erschuf nämlich im Jahre 1922 das gute Radler. Seit zehn Jahren wird der Mix aus Limo und Bier, den Briten auch als "Shandy" ein Begriff, in Neuseeland angeboten. Von der Getränkefirma DB. "Monteith Radler" ist zwar kein echtes Radler, da es statt 2,5 volle 5 Prozent Alkohol hat, geht den Kiwis aber gut runter. Und so folgte wenig später eine kleine, exklusive Biobrauerei aus dem ländlichen Otago mit ihrem eigenen Produkt, dem "Green Man Radler".
Was tat der Goliath DB? Zog vor Gericht, um den Namen "Radler" auf seinen Flaschen zu schützen. Was ungefähr so sinnvoll ist, wie wenn ein Pekinger Getränkekonzern den Begriff "Merlot" für eine rot gefärbte Plörre beanspruchte, weil die Chinesen mit französischem Rotwein noch nicht so recht vertraut sind. Pech für "Green Man" und alle traditionsbewussten Bayern: Nach dreijährigem juristischem Ringen fiel jetzt die Entscheidung für das eingetragene Warenzeichen "Radler" - gegen die Einwände der "Society of Beer Advocats", kurz Soba. Das ist ein Zusammenschluss von Neuseelands Liebhabern gut gebrauter Qualitätsbiere und zumindest mal eine Namensgebung, die perfekt passt, wenn man nicht mehr ganz "soba" oder "sober" - also nüchtern - ist.
Seit DB das geistige Eigentum am Radler-Namen beansprucht, nennt "Green Man" sein Radler pragmatisch-ironisch "Cyclist". Viel zu befürchten haben die grünen Männer nicht. Zum einen beschäftigen sie einen original deutschen Braumeister aus der Pilsmetropole Plauen. Zum anderen hat ihnen die unsinnige Rechtsentscheidung fässerweise kostenlose Werbung beschert. Denn in hunderten von erbosten Internetkommentaren, in Blogs und auf Facebook wird seitdem zum Boykott von DB-Produkten aufgerufen. In Neuseeland tobt der Bierkrieg. Wenn Kiwis eines hassen, dann aggressive Marktpolitik und Geldgier.
Übel sieht es allerdings für jede Flasche aus, die als "Radler" aus Deutschland in den tiefen Südpazifik importiert wird. Die braucht ab jetzt ein neues Etikett. Angelehnt an einen Kaffeemulti, der den Begriff "Frappuccino®" erschuf, schlage ich "Radelle" vor. Das kommt dank der femininen Anmutung sicher auch bei der von mir gegründeten "Interessengruppe inkontinenter Teetrinkerinnen" (Igitt®) bestens an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW